Kommentar Bildungsministerin: Freizeitministerin würde besser passen
Für Schulen fühlt sich Anette Schavan gar nicht mehr zuständig. Den Titel Bildungsministerin kann man ihr getrost aberkennen. Sie trägt ihn sowieso nur noch pro forma.
E s ist prinzipiell lobenswert und verdienstvoll, wenn Bundesbildungsministerin Annette Schavan benachteiligte Kinder ins Theater oder auf Jugendfreizeiten schicken will. Die kulturelle Bildung zu fördern, wie es ihr Ministerium im Rahmen von Bildungsbündnissen plant, tut not.
Aber: Gedacht war das mal ganz anders. Aus dem 1-Milliarde-Euro-Programm für Schüler, deren Lese- und Mathefähigkeiten bestenfalls für eine Zukunft als Hartz-IV-Empfänger reichen, ist ein 30-Millionen-Projekt für Theater, Tanz und Spiel geworden.
Die Frau mit dem 13-Milliarden-Etat rennt immer wieder gegen die Mauern des grundgesetzlichen Kooperationsverbotes. Bund und Länder hatten im Rahmen der Föderalismusreform von 2006 beschlossen, bei Schulen und Hochschulen nicht mehr zusammenzuarbeiten. Schavan war damals als baden-württembergische Kultusministerin noch fleißige Mauerbauerin.
ist Redakteurin im Inlandsressort der taz.
Als Bundesbildungsministerin trägt sie diesen Titel freilich nur noch pro forma. Schavan bleibt die Rolle der Zuschauerin im föderalen Kleingarten, die ab und zu mal eine Schippe Mist – also Geld – über den Zaun wirft. Die Bildungsbündnisse sind so eine Notlösung: Natürlich wäre es sinnvoller den Schulen Geld zu geben, die sich mit Vereinen, Initiativen und Ehrenamtlichen vernetzen. Aber wie beim Bildungspaket für benachteiligte Kinder sind solche pragmatischen Lösungen wegen des Kooperationsverbotes eben nicht möglich.
Und was tut die Ministerin dagegen? Wenig. Ihr in dieser Woche vorgelegter Gesetzentwurf zur Änderung des Kooperationsverbots sieht nur marginale Invasionsmöglichkeiten für den Bund bei Hochschulen vor. Für Schulen fühlt sie sich gar nicht mehr zuständig. Den Titel Bildungsministerin kann man ihr getrost aberkennen. Freizeitministerin wäre passender.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind