piwik no script img

Kommentar BerlusconiVorbild für Millionen

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Fast 20 Jahre war Berlusconi in der Politik, um sich vor dem Knast zu retten. In 13 Prozessen hat es zu keiner Verurteilung gereicht. Daran wird auch der aktuelle Richterspruch wenig ändern.

V ier Jahre Haft für Silvio Berlusconi wegen Steuerhinterziehung verhängte am Freitag ein Gericht in Mailand – und wieder einmal denkt alle Welt, jetzt endlich sei es so weit. Endlich in den Knast einfahren werde der mittlerweile 76-jährige Medienzar, der gleichsam nebenher für knapp 20 Jahre noch den populistischen Politiker gab (vor allem, um seine eigne Haut vor der Justiz zu retten).

Doch so wird es nicht kommen. Berlusconi ist verurteilt – doch erneut droht ihm: schier gar nichts. Erst einmal gibt's drei Jahre Skonto, weil Italiens Parlament schon im Jahr 2006 für alle vordem begangenen Straftaten eben jenen dreijährigen Strafnachlass beschlossen hatte. Das letzte Jahr dann wird gewöhnlich zur Bewährung ausgesetzt. Doch vor diesem – zumindest moralisch schmählichen – Resultat stehen noch zwei Instanzen. Sie können, wie vorher schon so oft, mit Freispruch enden oder mit Verjährung.

Schon in der ersten Instanz lief der Prozess stolze sechs Jahre; ihn in den nächsten zwei Jahren bis zur endgültigen Verjährung noch ein wenig hinzuziehen, sollte seinen bestens bezahlten Anwälten eine leichte Übung sein.

Michael Braun

ist Italienkorrespondent der taz mit Sitz in Rom.

Beim internationalen Filmhandel soll Silvio sich – dies der Grund der jetzt erfolgten Verurteilung – per Einschaltung erfundener Zwischenhändler an der Steuer vorbei bereichert, soll er zugleich schwarze Kassen gefüllt haben. Wahrscheinlich war es tatsächlich so, ebenso wie der gerade Gesetzen gegenüber hoch flexible Unternehmer schon in der Vergangenheit gerne Bilanzen fälschte, Politiker bestach, Prozesse per Korruption zu beeinflussen suchte.

Nicht zu ahnden

Verständlich, dass so mancher ihn gern hinter Gittern sähe. Doch Berlusconis wahre, seine größte Schuld lässt sich juristisch wohl kaum ahnden: Sie besteht darin, dass er es in nunmehr fast 20 Jahren schaffte, sich nicht bloß zum politisch Verfolgten, sondern zugleich gerade wegen seiner Auseinandersetzungen mit Justiz und Steuerfahndung zum wahren Vorbild für Millionen Italiener zu stilisieren. Dass er es so schaffte, nicht bloß die politische, sondern die Bürgerkultur des Landes auf den Hund zu bringen. Dafür jedoch, so steht zu fürchten, wird er nie büßen.

Berlusconis Rechnung ist aufgegangen: Fast 20 Jahre war er in der Politik, um sich selbst vor dem Knast zu retten und seine Unternehmen vor der Pleite zu bewahren. Beides ist gelungen, denn weiterhin ist er nicht vorbestraft: In den nunmehr 13 Prozessen gegen ihn hat es nie zu einer letztinstanzlichen Verurteilung gereicht. Daran wird auch der vorerst letzte Richterspruch aus Mailand kaum etwas ändern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • E
    esker

    Demokratie = Plutokratie.

    Deswegen sind die reichen Eliten so engagiert darin, auch noch am letzten Ende der Welt ihre "demokratische" Systeme durchzusetzen.

  • SV
    Stefan Vollmershausen

    Ein Staat – Italien- wird mittels des immensen Vermögens Berlusconis in Geiselhaft genommen.

    Berlusconi fehlt nur eine neue Mehrheit im Parlament, und schwupps wären diese leidigen Sachen mit den Gerichten erledigt.

    Also nun Rücktritt vom Rücktritt, immer die mögliche neue Mehrheit im Blick,

    ich frage mich ja schon wann die Italiener endlich die Schnauze voll haben, von diesem Provokateur ?

    Der italienische Staat wird beständig provoziert - eine Tat Romano Prodis in der kurzen Zeit zwischen Berlusconi war der Abzug der italienischen Soldaten aus dem Irak, schließlich war das Italien Berlusconis Teil der Irakkriegs Koalition von George W. Bush.

    Ich meine, eine Zelle wäre vielleicht nicht das Schlechteste für den Cavaliere, aber es gehört viel Mut ihn auch dazu zu verurteilen.

    Nach seinen Jahren als Ministerpräsident Italiens hat er sich inzwischen wahrscheinlich auch ein Netzwerk in der Verwaltung aufgebaut.

    Es gelten nur seine eigenen Spielregeln, zumindest glaubt er das, andere gewachsenen Spielregeln werden nicht akzeptiert.

    Weder müsste er sich ein Comeback selber antun, noch Italien, zumal die Gerichte ihm untersagt haben sich die nächsten 5 Jahre politisch zu betätigen.

    Benito Mussolini war auch lange Jahre politisch oben, am Ende wurde er aufgehängt.

    In solchen Fällen, wie dem Strang, ist es danach wieder möglich anderes zu reden, als nur über Berlusconi. und einen Comeback Wahlkampf, bezahlt aus dem eigenem Vermögen.

  • S
    Schizo

    Die Italiener leben ,wie wir, in einem Rechtsstaat. Das heißt, wie bei uns: Wer das meiste Geld hat, bekommt das meiste Recht. Wer nichts hat, bekommt einen 'dummen'? Pflichtverteidiger.