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Kommentar Berliner GrüneDie Hybris der Grünen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Das Machtgerangel zwischen SPD und Grüne hat das Ende der Koalition gebracht. Dabei war der Streit um die Stadtautobahn nur der Schlusspunkt der Konfrontation.

E s ist noch nicht lange her, da wollten die Grünen in Berlin nicht bloß mitregieren, sondern regieren. Renate Künast erklärte vollmundig, dass sie Regierende Bürgermeisterin werden wolle, und, warum nicht?, vielleicht mal Bundeskanzlerin. Die Umfragen sahen ja glänzend aus. Und wenn Wowereit nicht wolle, dann würde Künast eben mit der CDU gestalten.

Die Grünen sind in Berlin seitdem tief gefallen, auch wegen dieses Hochmuts. Sie haben im Wahlkampf eine Kette von Fehlentscheidungen getroffen, die aufzuführen jedermanns Geduld überstrapazieren würde. Aus den beiden zentralen Fehlern lässt sich indes etwas lernen.

Die Grünen haben sich im Wahlkampf vor allem mit der SPD angelegt und außerdem die grün-schwarze Karte gespielt. Die grüne Klientel ist zwar weltanschaulich recht flexibel. Die Aussicht, die muffige Berliner CDU zum Machterwerb zu benutzen, hat sie doch verstört.

Bild: taz
STEFAN REINECKE

ist Korrespondent der taz im Parlamentsbüro.

Auch wenn man den zerfaserten Wählermarkt Berlin nicht auf die Republik hochrechnen kann, zeigt dieses Scheitern: Rot-Grün kann auch anderswo entgleiten. Sozialdemokraten und Grüne haben wenig Übung darin, sich auf Augenhöhe zu begegnen.

Das Koch-und-Kellner-Spiel ist vorbei. Jetzt ist die SPD nur noch etwas stärker - da kommt es schnell zu einem Machtgerangel, das beiden schadet. Der rot-grüne Autobahnunfall ist jedenfalls nur Schlusspunkt einer längeren Konfrontation.

Wenn die Grünen sich nun als gesinnungsfeste Opfer des fiesen Wowereit inszenieren, ist das zu wenig. Zum einen ist ihnen sehr spät eingefallen, dass für sie alles an der A 100 hängt. Zum anderen ist nicht einsehbar, warum sie den Kompromiss, Baustopp bis 2014, ablehnen. Die Grünen sind nicht Wowereits Opfer. Sie sind das Opfer ihrer eigenen Hybris geworden.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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5 Kommentare

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  • O
    Olli

    Wir müssen nicht alles mit uns machen lassen. Es wurden Fehler gemacht das ist Richtig., So lange die SPD meint sie kann mit uns machen was sie will, dann eben nicht! Richtig so, grün ist eben Grün und nicht rot-grün!

  • IN
    Ihr NamePeter

    Man kann das von den Grünen herausgegebene Wahlkampfziel, die Regierende Bürgermeisterin zu stellen, als Kühnheit bezeichnen, nicht jedoch als Hybris. Wer wagt, gewinnt. Allerdings nicht immer.

     

    Es war klar, dass die Stimmung nach der Fukushima-Katastrophe abflauen würde. Um die Chance trotzdem zu nutzen, hätte der Wahlkampf der Grünen 100% optimal laufen müssen. Das tat er nicht.

     

    Aber: Ist es wirklich verwerflich, zu sagen, politische Inhalte sind das Wichtigste und man wird mit denjenigen koalieren, mit denen man sie umsetzen kann? War das automatisch als Bewerbung für Schwarz-Grün und als Verrat an den eher links orientierten Wählern zu verstehen?

    Nun war die Chance für Rot-Grün da, und die SPD-Spitze hat schon nach einer Stunde Koalitionsverhandlungen keine Lust mehr, über Inhalte zu diskutieren. Wie hat sich die SPD denn Verhandlungen vorgestellt? Vielleicht hätte es für das Zustandekommen einer rot-grünen Zusammenarbeit nicht geschadet, wenn Schwarz-Grün eine rechnerische Option gewesen wäre.

     

    Inhaltliche Positionen der Parteien zu Berliner Themen wurden für die Medien erst in der heißen Phase des Wahlkampfes spannend. Der Kampf gegen die A100 wird von den Berliner Grünen schon seit Jahren gefochten und es dürfte schwer fallen, einen Grünen zu finden, der den Weiterbau befürwortet.

    Anders bei der SPD, wenn man sich die knappe Mehrheit der SPD für den pro-A100-Beschluss und dessen Inhalt selbst ansieht. Wowereit hätte ohne Gefahr, dass ihn seine Partei zerreißt, auch einem A100-Moratorium bis zur nächsten Wahl zustimmen können. Dies gilt insbesondere, wenn er sich "ernsthaft und aktiv" für die Umwidmung der Bundesgelder einsetzen wollte und an den Erfolg dieser Bemühungen glaubte. Dies scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein. Somit wäre der Baustopp bis 2014 doch mit einem Festschreiben des Weiterbaus verbunden gewesen.

     

    Die verschiedenen Parteikulturen spielen sicherlich auch eine große Rolle beim Scheitern der Gespräche: Bei den Berliner Grünen sind Sachauseinandersetzungen, die auch kontrovers geführt werden, normal. Hier redet die Basis bei Entscheidungen mit. Bei der SPD, nicht nur in Berlin, sind die Führungsleute das Wichtigste. Ein "Basta" beendet hier viele Diskussionen und viele Entscheidungen lassen sich eher auf persönliche Beziehungen des Spitzenpersonals zurückführen als auf sozialdemokratische Grundwerte.

     

    Die Grünen sind sicherlich kein "Opfer". Geopfert werden jetzt politische Veränderungen in Berlin, die der Stadt gut getan hätten.

  • J
    Joerg

    Der Reinecke sollte sich besser als Regierungssprecher bewerben. Wer ohne zu werden, einen solchen Satz schreibt, hat den Beruf des Journalisten verfehlt: "Zum anderen ist nicht einsehbar, warum sie den Kompromiss, Baustopp bis 2014, ablehnen."

    Es war doch die SPD, die genau dies abgelehnt hat.

  • A
    Alex

    Klingt überzeugend - und verdammt bitter!

    Wer von Roten und Grünen in den letzten Wochen über die Spielchen der Piraten gelästert hat - hier haben sie sich selber viel viel stärker blamiert!

     

    Wäre schön, wenn die Signale gehört und verstanden werden. Schluss mit Kindergarten!

  • H
    Hasso

    Die Grünen sind eben ein blöder Haufen. Das waren sie schon unter Schröder. Der 'Wahlurnen-Trottel' lässt sich gut einschätzen: Er vergisst schnell.