piwik no script img

Kommentar Behörden bei FacebookÜbers Ziel hinausgeschossen

Jan Kahlcke
Kommentar von Jan Kahlcke

Facebook ist längst überall - ob Niedersachsens Behörden nun mitspielen oder nicht.

D er verdiente Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist übers Ziel hinausgeschossen: Den Komplett-Rückzug aller niedersächsischen Behörden aus dem sozialen Netzwerk Facebook fordern die Aktivisten. Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert hatte dieselbe Forderung erhoben – erfolglos.

Weichert hatte argumentiert, Facebooks „Like-Buttons“ und das Aufrufen von Fanpages würden illegalerweise einen Transfer von Nutzerdaten an Facebook auslösen. Und da dürften Behörden nicht mitspielen. Ob Weichert Recht hat, müssen Gerichte klären – oder Facebook lässt sich dazu bewegen, europäische Datenschutzstandards anzuerkennen. So lange ist es Sache der Nutzer, ihre Privatsphäre zu schützen.

Der AK Vorrat geht jetzt einen Schritt weiter, indem er moralisch argumentiert: Die Polizei Hannover würde Facebook durch ihre Präsenz „aufwerten“. Das klingt angesichts einer knappen Milliarde Nutzer weltweit ein wenig skurril. Die Macht der Polizei Hannover sollte man nicht überschätzen.

Diese Durchdringung bedeutet auch: Wenn die Polizei Öffentlichkeitsfahndung machen will, kommt sie an Facebook als Medium kaum vorbei. Das kann man kritisch betrachten, müsste man dann aber in Hinblick auf die Bild-Zeitung ebenso tun: Schließlich geht die mit den Ergebnissen einer solchen Fahndung meist nicht seriös um.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jan Kahlcke
Redaktionsleiter
Jan Kahlcke, war von 1999 bis 2003 erst Volontär und dann Redakteur bei der taz bremen, danach freier Journalist. 2006 kehrte er als Redaktionsleiter zur taz nord in Hamburg zurück
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • M
    micha

    wichtig:

     

    die petition ist vom "ak vorrat hannover" und nicht vom "großen" arbeitskreis vorratsdatenspeicherung initiiert. sie beschreibt also nicht die meinung "des" ak vorrat.

     

    darüber hinaus:

     

    ob nun "moralisch" oder nicht - die frage ist u.a., ob sich mit steuergeldern bezahlte behörden einfach nur auf das blanke gesetz berufen und dem facebook-trend hinterherlaufen sollten, oder ob sie mit einem bewussten und öffentlich kommunizierten schritt aus solchen "sozialen" netzwerken heraus ein deutliches signal zu setzen versuchen.

     

    immerhin wird den kritikern staatlicher datenerfassungs- und überwachungsmaßnahmen doch immer wieder und gerne vorgeworfen, dass diese angesichts der preisgabe intimster daten "aller leute in facebook" doch vernachlässigbar seien ... gleichzeitig betreiben manche behörden eine ordentliche pr-imagepflege auf facebook&co. - von uns mitbezahlt.

     

    ich empfinde diesen widerspruch als schizophren.

  • B
    Bitbändiger

    Sie dürfen sich natürlich gern zum Facebook-Knecht machen, lieber Jan Kahlcke (ich, als IT-Begeisterter seit Jahrzehnten, weiß, dass man auch ohne Facebook und Konsorten sehr erfüllt lebt). Aber mal davon abgesehen, dass die Polizei eine Personenfahndung im Netz selbstverständlich auch ohne Facebook durchführen kann: Auch ich sehe es sehr kritisch, wenn Behörden, öffentlich-rechtliches Fernsehen und nahezu alle Online-Medien diesem inzwischen schon sektenähnlichen Kommerz-Unternehmen, unantastbar angesiedelt in einem nahezu rechtsfreien Raum (USA), durch ihr Mitmachen ein Etikett der Seriosität und Harmlosigkeit aufdrücken. Ich nenne das "Beihilfe zu einer besonders perfiden Form der Verführung Minderjähriger".

     

    Herrn Weichert wünsche ich in seinem Kampf gegen diesen Dreck viel Erfolg.