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Kommentar Beck-VorschlagSPD wirbt um den Facharbeiter

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Längere Zahlung von ALG I beruhigt ältere Arbeitnehmer zwar. Bringen würde das aber nur etwas, wenn Ältere tatsächlich die Aussicht hätten, wieder einen neuen Job zu finden.

Bild: taz

Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Sozialpolitik im Inlandsressort der taz.

Es ist die Horrorvision, die den Sozialdemokraten anhaftet, seitdem sie mit den Grünen die Hartz-Gesetze verabschiedeten: Die SPD hat die Facharbeiter in die Armut geschickt. Angeblich. Ein über 50-Jähriger, der seinen Job verliert, landet nach einem Jahr Arbeitslosengeld auf Hartz IV und wird zum Sozialfall. Er steht auf derselben Stufe wie Leute, die nie in ihrem Leben längere Zeit geackert haben. Hartz IV wurde so zum Synonym für die Absturzängste der unteren Mittelschichten. Das kostete die SPD Wählerstimmen. Diesen Imageschaden wollen die Sozialdemokraten reparieren.

SPD-Sozialpolitiker überlegen, den Älteren wieder ein längeres Arbeitslosengeld I zuzugestehen. Da die Union schon mal ähnliche Vorstöße gemacht hat, gibt es für das Vorhaben in der großen Koalition sogar trotz Protesten aus dem wirtschaftsliberalen Flügel der SPD mittelfristig eine Chance, umgesetzt zu werden. Zudem wird das Arbeitslosengeld I aus den Versicherungsbeiträgen der Bundesarbeitsagentur gespeist, die Arbeitsagentur freut sich derzeit über milliardenschwere Überschüsse. Das Vorhaben wäre also auch zu bezahlen.

Das längere Arbeitslosengeld I für Ältere gäbe vielen langjährig Beschäftigten das Gefühl, gesicherter zu sein, wenn der Job verloren geht. Eins allerdings wird dadurch nicht geleistet: Die früher übliche Form der Frühverrentung "über das Arbeitslosengeld" wird auch durch die Wiedereinführung einer längeren Bezugsdauer nicht wieder kommen. Die Kette: Entlassung, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Frührente wurde durch die Hartz-Gesetze und die Rentenreform abgeschafft. Daran würden auch sechs oder zwölf Monate längeres Arbeitslosengeld nichts ändern. Zunehmend mehr Ältere rutschen auf Hartz IV und dann in eine Rente mit hohen Abschlägen.

Die verlängerte Bezugsdauer brächte nur dann etwas, wenn Ältere die Chance bekommen, aus der Arbeitslosigkeit wieder einen neuen Job zu finden. Ob das für die Älteren klappt - das ist für diese Gruppe die eigentliche soziale Frage der Zukunft.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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1 Kommentar

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  • A
    Alster

    Man reagiert nur auf den Verlust von Wählerstimmen.

    Hätte sie SPD nicht so viele Wählerstimmen eingebüßt, würde sich auch nichts ändern. Arbeit

    bekommen diese Menschen ohnehin nicht mehr-, Fakt

    bleibt: Die Altersarmut ist vorprogrammiert. Ein

    taktieren um Wählerstimmen-, nichts weniger ist

    diese Chose. Man wollte dieses System und nun hat man sich festgefahren. Der Markt wird alles richten!?

    Eine soziale Marktwirtschaft ohne jeglichen Dirigismus des Staates verkommt zur Despotie des

    Kapitalismus. Aber so lange die Politiker im

    Sumpf des Kapitalismus ein Moorbad nehmen muss

    sich der Kleinbürger kalt duschen.