Kommentar Banken-Enteignung: Geisterdiskussion als Ersatzhandlung
Enteignung bedeutet nicht sozialistische Politik - denn der Staat verlangt Einfluss im Gegenzug zu Milliardeninvestitionen. Mies ist dagegen die Vollkasko-Mentalität vieler Wirtschaftslobbyisten.
Ralph Bollmann ist Leiter des Parlamentsbüros der Taz.
Man kann ja verstehen, dass das Wort unbehagliche Assoziationen weckt: "Enteignung", das klingt nach Revolution, Sozialismus oder VEB, also keinesfalls nach einer Parole, mit der die Union wirtschaftsliberale Wähler von der FDP zurückholen könnte. Wenn sich der Staat Bankaktien zwangsweise aneignet, befindet deshalb der neue Wirtschaftsminister, könne das nur die "Ultissima Ratio" sein, das allerletzte Mittel. Die Kanzlerin sprach zuvor vom "letzten Mittel", was im Merkeldeutsch Zustimmung bedeutet.
Vom Einzug sozialistischer Politik kann trotzdem keine Rede sein. Wenn es aus der Sicht des Marktliberalismus einen Sündenfall gab, dann geschah er schon im Herbst, als die Regierung die üppigen Finanzhilfen zur Rettung der Hypo Real Estate (HRE) beschloss. Damals aber, in der globalen Schockstarre nach der Lehman-Pleite, wollte niemand am Zusammenbruch des Finanzsystems schuld sein und verantworten, dass in letzter Konsequenz Millionen Sparer, Pfandbriefbesitzer oder privat Rentenversicherter vor dem Nichts stünden. Zu Recht.
Nun aber ist der Staat mit hohen zweistelligen Milliardenbeträgen bei der HRE eingestiegen. Jetzt verlangt er im Gegenzug Kontrolle. Das widerspricht nicht den Prinzipien von Marktwirtschaft und Kapitalismus, es ist ganz im Gegenteil die unvermeidliche Schlussfolgerung aus ihnen - zumal der Staat den Enteigneten für die Papiere, die ohne sein Eingreifen überhaupt nichts mehr wert wären, sogar noch Geld bezahlt. Wer das als Sozialismus bezeichnet, der müsste Feuerwehrleute, die bei einem brennenden Haus die Tür einschlagen, für heimliche Hausbesetzer halten.
Mehr noch: Im alten Jahr verlangten Exponenten des sogenannten Wirtschaftsflügels der Union sogar zusätzlich zur Bankenrettung auch noch üppige Konjunkturprogramme. Sie hätten das jetzt Beschlossene bei weitem übertroffen und die jetzt beklagten Haushaltsdefizite vervielfacht. Viele Wirtschaftslobbyisten wünschen sich einen Staat, der sich aus allem heraushält, im Zweifel aber zahlt. Den Prinzipien des Liberalismus gereicht diese Vollkasko-Mentalität nicht zur Ehre.
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