Kommentar Autoindustrie: Leise Verhandlungen über Lärm
Dass künftig Fahrzeuge möglicherweise noch mehr lärmen als bisher, ist ein Skandal.
W er an einer großen Straße wohnt oder arbeitet, kennt das: Bei offenem Fenster versteht man kaum sein eigenes Wort, geschweige denn das des Gegenübers. Künftig könnte dieser - krank machende - Stress sogar noch größer werden, wie Umwelt- und Verkehrsverbände befürchten. Schuld daran sei ein neues, standardsetzendes Verfahren zur Messung von Fahrzeuglärm, an dem die Autoindustrie kräftig mitgewirkt hat. Demnach könnten Autos künftig deutlich lauter durch die Gegend röhren als bisher.
Zwar streiten sich Autoindustrie und Umweltverbände darüber, ob die neuen Standards tatsächlich zu lauteren Fahrzeugen führen oder nur eine realistischere Lärmmessungsmethode darstellen. Fakt aber ist: Eine weitgehend unbekannte UN-Arbeitsgruppe setzt - unter starker Mitwirkung der Industrie und hinter verschlossenen Türen - neue Maßstäbe für die Lärmemissionen von Autos. Das hat zumindest ein starkes Geschmäckle. In Sonntagsreden ist seit der Finanzkrise stets von der Re-Regulierung der Wirtschaft die Rede - doch in der politischen Realität geht es munter weiter wie zuvor.
Verkehrslärm ist kein naturgegebenes Phänomen, das hingenommen werden muss wie Blitz und Donner. Verkehrslärm schädigt nachweislich die Gesundheit - und er verursacht hohe Kosten. Menschen, die wegen des Lärms erkranken, müssen medizinisch versorgt werden; an vielen Stellen müssen Lärmschutzwände errichtet werden, um das Leben an Straßen und Autobahnen halbwegs erträglich zu machen. Dass solche Folgekosten des Verkehrs den Verursachern nicht angerechnet werden, ist schlimm genug. Dass künftig Fahrzeuge möglicherweise noch mehr lärmen als bisher, ist ein Skandal. Die EU muss schleunigst das Heft in die Hand nehmen und strengere Regeln verabschieden. Die Gesundheit der Bürger sollte Priorität haben vor dem Interesse einzelner Industrien.
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