Kommentar Aufarbeitung Franco-Zeit: Vergessen ist keine Lösung
Die Demonstrationen vom Wochenende zeigen: Eine Aussöhnung ohne Gerechtigkeit, wie sie Spanien nach dem Ende der Franco-Diktatur versuchte, kann es nicht geben.
Es war ein ungeheuerlicher Tabubruch, den Spanien am Samstag erlebte. Was als Bekundung der Solidarität mit Richter Baltasar Garzón gedacht war, der aufgrund seiner Ermittlungen zu den Verbrechen der Franco-Diktatur jetzt wegen Rechtsbeugung angeklagt ist, wurde zu einem kollektiven Schrei nach Gerechtigkeit. Einer Gerechtigkeit, die es so niemals geben sollte. Denn einer der Eckpfeiler der Transición - des Übergangs Spaniens zur Demokratie nach dem Tod von General Franco 1975 - war das Vergessen, war die Amnestie für alle politisch motivierten Verbrechen.
Die Opfer und ihre Nachfahren wollen dies nicht mehr länger hinnehmen. Die gezielten Säuberungsaktionen der Faschisten gegen die "Roten" ist in ihren Augen ein Genozid, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Und diese verjähren nicht, und es darf auch keine Amnestie für sie geben.
Reiner Wandler ist Spanien-Korrespondent der taz.
Es ist eine Basisbewegung, die da zusammenfand. Zaghaft unterstützen auch Politiker aus den Reihen der regierenden Sozialisten Richter Garzón. Doch nicht nur der politischen Rechten Spaniens, auch so manchem Sozialisten geht das, was am Samstag passierte, zu weit. Spanien habe mit der Transición und der Amnestie Großzügigkeit bewiesen. Dies dürfe jetzt nicht aufs Spiel gesetzt werden, argumentieren sie. So mancher setzt darauf, dass der Oberste Gerichtshof die Klage gegen Garzón doch noch einstellen könnte und dann alles wieder zur Normalität - zum Schweigen - zurückkehrt.
Die Opfer und ihre Angehörigen hingegen haben sich auf der Straße gefunden und gemerkt, dass sie mit ihrem Schmerz nicht allein sind. Jahrzehntelang hatten sie geschluckt, geschwiegen. Eine Aussöhnung ohne Gerechtigkeit, wie sie Spanien versuchte, kann es nicht geben. Nach den Demonstrationen vom Samstag wird nichts mehr sein, wie es war.
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