Kommentar Atom-Debatte: Merkel meidet Inhalte

Merkel und die Regierung stehen vor einer energiepolitischen Richtungsentscheidung. Zu befürchten ist, dass sie die falsche treffen.

Die Reaktion kam prompt, und sie war eine für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) typische: wischiwaschi. Sie sehe keinen Widerspruch zu den energiepolitischen Zielen der mehr als 40 Spitzenmanager, von denen sie zuvor via Zeitungsannonce frontal angegriffen worden war, ließ Merkel in Bild am Sonntag verkünden. Gleichwohl vermied sie inhaltliche Aussagen, etwa zur geplanten Brennelementesteuer. Das zeigt: Merkel nimmt den Affront sehr ernst, aber sie spielt erst einmal auf Zeit. Nebenbei geht in dem Streit über die Brennelementesteuer unter, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung einen Richtungswechsel hinlegen und die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern will. Diese Neufokussierung der Debatte dürfte sowohl Merkel als auch die Industrie freuen. Geschickt eingefädelt, mag man da rufen - wenn es im Streit über die Details nicht doch um Wesentliches ginge.

Denn natürlich hat die Bundesregierung recht, wenn sie - als Kompensation für längere Laufzeiten veralteter Atomkraftwerke - wenigstens die zusätzlichen Gewinne der steinreichen Atomkonzerne abschöpfen will. Und natürlich wäre eine Brennelementesteuer ein besseres Instrument dafür als die ominöse Fondslösung, die die Konzerne favorisieren. Denn aus einem mit Atomprofiten gespeisten Fonds, der die Nutzung der erneuerbaren Energien fördern soll, könnten sich die großen Stromkonzerne selbst bedienen; zudem könnte der Fonds den Ausstieg aus dem Ausstieg auf Jahrzehnte festschreiben.

Der wiederum blockierte den Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn Leitungen, die voll sind mit Strom aus großen Atom- oder Kohlekraftwerken, haben kaum Kapazitäten, Strom aus erneuerbaren Quellen aufzunehmen, etwa aus Windkraftwerken auf dem Meer. Merkel und die Regierung stehen vor einer energiepolitischen Richtungsentscheidung. Zu befürchten ist, dass sie die falsche treffen - aller Aufregung um eine dreiste Anzeigenkampagne zum Trotz.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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