piwik no script img

Kommentar AsylrechtDeutschland abgewiesen

Kommentar von Christian Jacob

Zwei Pakistaner haben erfolgreich in Straßburg geklagt. Deutschland darf Asylbewerber nicht abschieben mit dem Hinweis, sie müssten sich systemkonform verhalten.

F ür den Umgang mit Asylbewerbern hat Deutschland ein bewährtes Rezept: Was sie vortragen, wird abgestritten, ihr Antrag abgelehnt. Dummerweise ist das nicht immer möglich: Es gibt Fälle, da ist schlechterdings nicht abzutun, was Flüchtlinge über ihre Verfolgung berichten.

Dann greift Plan B, um trotzdem kein Asyl gewähren zu müssen: Die Verfolgung wird zu einem Problem des persönlichen Verhaltens umdefiniert. Der deutsche Staat macht damit nicht den Verfolger zum Schuldigen, sondern den Verfolgten. Der könnte seine Haut ja retten, wenn er sich in seiner Heimat nur konformistischer verhielte – so hat es das Asylbundesamt den beiden Pakistanern empfohlen, die nun in Straßburg erfolgreich geklagt haben. Zumindest in Sachen Religion zwingt das Urteil die deutschen Behörden jetzt, umzudenken.

Die hatten ihnen nahegelegt, religiöse Praktiken nur im Stillen, in den eigenen vier Wänden auszuüben, um ihre Gegner in der Justiz und bei den Islamisten nicht zu provozieren. In anderen Fällen empfiehlt das Asylbundesamt, darauf zu verzichten, als Homosexueller öffentlich sichtbar zu sein. Oder bestimmte Regionen zu meiden, in denen eine Minderheit besonders wenig gelitten ist. Oder eben den Schleier anzulegen, den die Tugendwächter verlangen. Schon ist der Flüchtling aus dem Schneider und Deutschland braucht ihm keinen Schutz zu gewähren – das ist die Logik, mit der die Deutschen beharrlich versuchen, berechtigte Asylansprüche abzuwehren.

Christian Jakob

ist Redakteur bei taz1.

Asylrecht ist dazu da, Schutz vor politischer Verfolgung zu garantieren – ohne sich den Beschränkungen durch Unrechtsregime oder religiöse Fanatiker unterwerfen zu müssen. Vielleicht begreifen auch die deutschen Behörden das jetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • M
    Mark

    Auf die richtige Fundstelle für das Urteil hat lysa schon hingewiesen. Ich möchte das um einen Hinweis auf dessen Inhalt ergänzen:

    Der EuGH hat zunächst festgestellt, dass nicht jeder Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit eine Verfolgungshandlung darstellt, die die zuständigen Behörden verpflichten würde, den Betroffenen, als Flüchtling anzuerkennen (Nr. 58). Ein so schwerwiegender Eingriff, dass er als relevante Verfolgungshandlung zu bewerten ist, kann aber vorliegen, wenn der Asylbewerber aufgrund der Ausübung dieser Freiheit in seinem Herkunftsland u.a. tatsächlich Gefahr läuft, verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (Nr. 67).

    Unterhalb dieser Schwelle liegende Rechtsverletzungen muss der Asylbewerber also hinnehmen. Dahinter steht die Erkenntnis, dass die Mitgliedstaaten der EU die Rechte der EU-Grundrechtecharta in vollem Umfang zwar für das Gebiet der EU garantieren können, aber nicht für die ganze Welt. (Ähnlich ist es für die Europäische Menschenrechtskonvention: deren Vertragsstaaten können die Menschenrechte grundsätzlich nur innerhalb ihres Vertragsgebiets garantieren und nicht dort, wo andere Staaten Hoheitsgewalt ausüben). Über das Asylrecht wird aber ein menschenrechtliches Mindestniveau garantiert, insbesondere der Schutz vor Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung.

    Wenn für den Betroffenen die Befolgung einer bestimmten religiösen Praxis in der Öffentlichkeit zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, ist das ein relevanter Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Größe der Gefahr, der er in seinem Herkunftsland wegen seiner Religion ausgesetzt wäre (Nr. 70).

    Eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung liegt nach dem Urteil vor, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer solchen Verfolgung aussetzen (Nr. 80). Auch an dieser Stelle wird es also darauf ankommen, wie wichtig die konkrete religiöse Betätigung für den Betroffenen ist.

  • V
    vic

    Es genügt nicht, Asysuchenden nur aus religiösen Gründen ausnahmsweise Asyl zu Gewähren.

    Ich begrüße die Entscheidung m Einzelfall, sage aber deutlich: Das reicht nicht!

  • KB
    Karin Bryant

    In USA ist der ' beliebteste ' Grund um Asyl zu betragen homosexualitaet oder lesbisch und dass die Leute in ihrer Heimat gefährdet sind durch ihre sexuelle Orientierung

    Es ist in den letzten JAhren aufgefallen dass die Asylanten ,wenn ihnen Asyl gewährt

    Wurde in grosser Anzahl Partner des anderen Geschlechts heiraten weil sie auf

    wundersame Weise entdeckten dass sie garnicht homosexuell oder lesbisch sind.

  • C
    Conny

    Bestimmte Gebiete meiden? Sich verschleiern? Homosexuallität nicht öffentlich zeigen? Eigene Religion nicht öffentlich zeigen?

    Ich sehe da keinen Unterschied zwischen Pakistan und Deutschland...

  • J
    Jevu

    Wo bleiben die zustimmenden Kommentare der PIler? Pro Deutschland & Co als Kaempfer fuer mehr Asylrechte um den Verfolgten des Islamofaschismus ein Leben in Freiheit zu ermoeglichen.... Na, fuehlt sich keiner angesprochen?

  • C
    Carsten

    Dieser Artikel enthält keine brauchbare Information, sonden nur germanophobe Polemik. Ganz arm.

  • L
    lysa

    Liebe taz-Redaktion,

     

    es ist richtig und wichtig, die deutsche Asylpraxis zu kritisieren, dabei sollte jedoch ein gewisses journalistisches Niveau nicht unterschritten werden. Der obige Kommentar steckt voller handwerklicher Fehler, die mehr als nur ärgerlich sind und ihn für den Leser schlicht unbrauchbar machen.

     

    Nicht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg, sondern der Gerichtshof der EU (EuGH) in Luxemburg hat entschieden. – Und zwar über eine Vorlage des deutschen Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) über die Auslegung der sog. Qualifikationsrichtlinie - und nicht über eine Klage der betroffenen Asylbewerber. Diese Vorlage des BVerwG erfolgte, weil absehbar war, dass die enge bisherige deutsche Rechtsprechung zum Asyl für religiös Verfolgte nicht mehr mit den weiten EU-Mindeststandards vereinbar ist. Insoweit ist die Entscheidung des EuGH als lange ersehnte Klarstellung zu begrüßen.

     

    Link zur Entscheidung:

    http://curia.europa.eu/juris/document/document_print.jsf?doclang=DE&text=religion%2Basyl&pageIndex=0&part=1&mode=req&docid=126364&occ=first&dir=&cid=1168892