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Kommentar ArbeitsmarktreformVom Sparzwang geprägt

Eva Völpel
Kommentar von Eva Völpel

Von der Leyens Reform der Arbeitsmarktinstrumente ist vor allem vom Sparzwang geprägt. Die Abgehängten fallen mit ihr weiter zurück. Arbeit muss anders gedacht werden.

U rsula von der Leyen kann einem fast leidtun. Ihre Reform der Arbeitsmarktinstrumente ist vor allem vom Sparzwang geprägt. Kein Wunder, hat die Regierung doch im vergangenen Juni beschlossen, dass die Bundesagentur für Arbeit und der Bund in der Arbeitsförderung von 2011 bis 2014 insgesamt 16 Milliarden Euro einsparen müssen. So ist die Reform unweigerlich mit den Sparvorgaben verquickt.

Man kann der Reform zugutehalten, dass der wirtschaftliche Aufschwung für einen Teil der Arbeitslosen tatsächlich mehr Jobs bedeutet. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen sinken seit einigen Monaten.

Aber es gibt solche und solche Arbeitslose: die, die nur kurz aus dem Jobmarkt auscheiden und gut qualifiziert sind. Und die, die abgehängt sind: mit Sucht- oder Schuldenproblemen, Geringqualifizierte oder Menschen, die in strukturschwachen Regionen leben und partout keine Arbeit finden.

Bild: R. Blidar

EVA VÖLPEL ist Redakteurin im Inlands-Ressort der taz.

Es ist zwar schön zu proklamieren, dass in Zeiten des vielbeschworenen Fachkräftemangels gerade diese Menschen in den ersten Arbeitsmarkt gebracht werden müssten. Allein, um solchen Menschen eine Chance zu bieten, müssten ganz andere Summen in die Hand genommen werden: Dann bräuchte es qualitativ hochwertige Einzelfallbetreuungen, Förderung statt Aktivierung, langfristig angelegte Weiterbildung und besser geschultes Personal in den Jobcentern.

Das Problem, dass viele in Billigjobs vermittelt werden oder gar keine Arbeit zur Verfügung steht, ist damit noch lange nicht gelöst. Letztlich geht es um die Frage, was gesellschaftlich sinnvolle Arbeit jenseits von Lohnarbeit ist und was uns ein menschenwürdiges Existenzminimum und Teilhabe wert sind. Genug zu tun gäbe es. Genug gesellschaftlichen Reichtum, um Arbeit anders zu denken und zu organisieren, auch.

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Eva Völpel
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1976. Ist seit 2009 bei der taz und schreibt über Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie die Gewerkschaften

3 Kommentare

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  • W
    Walter

    Der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD) sieht 40.000 Jobs in der bundesweiten Weiterbildungsbranche bedroht. Kündigungen, Gehaltskürzungen und dramatisch verschlechterte Arbeitsbedingungen seien die Folge der Sparmaßnahmen der Bundesregierung in der privaten Weiterbildung, sagte Schneider der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" .

     

    Nach Auffassung vieler Menschen ist Arbeitslosigkeit meist selbst verschuldet und die Folge von Faulheit und Dummheit. In Wirklichkeit ist Arbeitslosigkeit meist gemacht und Folge der Synergieeffekte. Wachstumsraten werden gesteigert, die Dividende erhöht und gleichzeitig werden Arbeitsplätze abgebaut und die wirtschaftliche Existenz der Mitarbeiter vernichtet. Der moderne Manager kennt keine Werte jenseits von Profit und der Mitarbeiter spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Heute eliminiert das Kapital die Arbeit und liquidiert die Menschen an ihren Arbeitsplätzen. Ein Schicksal, dass nun 450 Mitarbeitern der TÜV Nord Bildung blüht, das Humankapital wird abserviert.

    Wurden schon im Vorfeld Arbeitnehmerinteressen am Verhandlungstisch bei einem Gläschen Rotwein preisgegeben? Arbeitsplätze werden nicht gerettet, sondern nur der Tod auf Raten eingeläutet. Noch hält die Geschäftsführung den Deckel auf dem brodelnden Topf fest. Bei den ersten auslaufenden Befristungen, Lohnkürzungen und Schließungen der Bildungszentren könnte es aber knallen. Trotz Wut und Widerstandswillen der Mitarbeiter gelingt es Betriebsratsfürsten und Arbeitgebern immer, die Kampfbereitschaft der Belegschaft auszubremsen. Als Trostpflaster dient ein "Runder Tisch" und die Spekulation die Jobs zu erhalten, in erster Linie versucht man so die Kritiker in der Belegschaft kalt zu stellen. Raubtierkapitalismus und Sozialabbau wurden nicht vom Weihnachtsmann erfunden. Die Hemmschwelle die mach einen plagt, der ein ihm persönlich bekanntes Schwein schlachtet ist längst überschritten. Auch Manager haben diese Probleme nicht, die ihnen anvertrauten Mitarbeiter sind Kostenfaktoren. Das Bekenntnis zur Sozialstaatlichkeit ist eine vollmundige Propaganda, die Mitarbeiter werden bei der Arbeitsagentur vom Fair - Play- Unternehmer entsorgt. So wenig Anstand gab es noch nie!

    "Die schlimmste Wirkung des Kapitalismus ist, daß man glaubt, alles , was man bezahlen kann, gehöre einem." Martin Walser

    „Ihr sollt nicht denken, wenn ihr sprecht! Gehirn ist nichts für kleine Leute. Den Millionären geht es schlecht. Und wenn sie euch den Lohn entzögen! Und wenn sie euch so sehr belögen. Das sich die Balken bögen.! Seid höflich und sagt dankesehr ! “Erich Kästner

  • HN
    HANS NIX

    Mir tut Ursula von der Leyen nicht leid, weil sie auch ein Mensch ohne Mitgefühl und m.M. sogar ohne logisches Denkvermögen ist. Die momentane Arbeits- und Sozialpolitik ist an den e i g e n e n Maßgaben, Zielen und Ergebnissen - also Versprechungen zu Hartz-IV - komplett gescheitert.

     

    Beispiel Hamburg, letzter Aufschwung: Es sind 30.000 miese Jobs entstanden, die staatlich bezuschußt werden müssen. Und die Zahlen über Aufstockung, Verbleib in einer Stelle der Zeit- und Leiharbeit sind dürftig, kommen spät und oft auch noch unleserlich aufgearbeitet.

     

    Zu allem Überdruss hat die BA auch noch eine wilde Internetseite kreiert, die (nach Medienberichten) behauptet, dass Berlin und Essen auf dem gleichen Niveau liegen. Kaum eine Zahl oder Statistik passt hier ins menschliche Denken. Das ist wohl Programm ...

     

    Leider diskutiert die Politik zu 80 bis 95 Prozent keine einzige Frage, die Eva Völpel hier aufwirft. Die Fraktionen von SPD, FDP und CDU/CSU habe gar kein Interesse mehr, sich zu fragen, ob Hartz nicht reformiert gehört.

     

    Und meiner Meinung nach sollte dies geschehen, schon alleine, weil Deutschland tatsächlich viele Arbeitslose nicht aktivieren kann und das war ja das große Versprechen von Hartz-IV (z.B. Spozialhilfeempfänger finden nach 10 oder 20 Jahren eine Arbeit, leben davon).

     

    Und bei demographischen Veränderungen, verbreiteter Xenophobie, Sarrazinismus etc. kann Zuwanderung nur wie ein Sahnehäubchen daher kommen. Es muss schon zuerst h i e r und zwar überall an Mechanismen gearbeitet werden, die tatsächlich dazu führen, dass ein Arbeitsloser eine Arbeit findet, davon leben kann und nicht nach 6, 12 oder 18 Monaten wieder auf der Straße steht. Wer sich genau ansieht, warum solche Fragestellungen nicht auftauchen, der kann leicht nachvollziehen, warum Deutschland solche Probleme überhaupt hat: Eine politische Mehrheit will diese Ignoranz.

     

    P.S. Und Wettbewerbsverzerrungen wie 1-EURO-Jobs, miese Trainings und dubiose Maßnahmen müssen radikal verschwinden.

  • H
    Hasso

    Die amerikanischen Rating-Agenturen bestimmen das Schicksal Europas. Und Deutschland als Zahlmeister sitzt mitten drin. Erst der Dollarauffänger für die USA; jetzt der Euro-Retter für Europa. Die USA wissen wie man es macht! Diese !"kriminelle Energie" fehlt den Deutschen "Kapitalisten-Handlangern". Das einzige was die noch zuwege bringen sind Sozialkürzungen um vor den Ami-Ratingagenturen gut dazustehen. Um in der Bilanz gut dazustehen dürfen auch die Supereichen nicht zu sehr "beansprucht" werden. Die USA ist so hoch verschuldet wie Portugal, spielt aber für die Rating-Agenturen keine Rolle. Die Amerikaner kommen immer weiter-, auch wenn sie anderer Nationen Wirtschaft zerstören. Und alles was unseren politischen Versagern dazu einfällt sind Sozialkürzungen.