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Kommentar Antizionismus bei der LinkenEine Frage der Staatsraison

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Gysi will die außenpolitische Selbstisolierung aufbrechen. Wenn die Linke Israel als Teil deutscher Staatsraison anerkennt, demonstriert sie, dass sie im Westen angekommen ist.

D ie Solidarität mit Israel muss Teil der deutschen Staatsraison sein. Dieser Satz mag für die meisten wie eine Selbstverständlichkeit klingen - bei der Linkspartei ist er es nicht. Denn was in der kapitalistischen Demokratie Staatsraison ist, war und ist vielen in dieser Partei egal. Und zum Nahostkonflikt gibt es in der Linkspartei ein ziemlich pluralistisches Durcheinander, in dem mehr als nur israelkritische Positionen Platz haben.

Bild: taz

Stefan Reinecke ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Gregor Gysi will das ändern: Die Linkspartei soll sich klipp und klar zur deutschen Staatsraison in Sachen Israel bekennen und sich endgültig vom Antizionismus verabschieden. Außerdem soll die Partei begreifen, dass man der israelischen Demokratie mit Imperialismusvorwürfen nicht gerecht wird. Das hat Gysi in einer Grundsatzrede zu 60 Jahren Israel gesagt - und hat damit Recht.

Denn linker Antizionismus, der das Existenzrecht Israels mit einem Fragezeichen versieht, ist weder moralisch vertretbar noch politisch brauchbar. Gerade, wer Kritik an der israelischen Besatzungspraxis übt, darf sich in dieser Frage keine Zweideutigkeit erlauben. Gleichzeitig hält Gysi in seinem Plädoyer für Israel ausreichend Distanz zum Philosemitismus der Antideutschen, für die jegliche Kritik an Israels Politik böse ist.

Vielleicht noch wichtiger als die Kritik der traditionslinken Gegnerschaft zu Israel ist indes das Bekenntnis zur Staatsraison an sich. Staatsraison ist ein Begriff, den Linke jenseits der Sozialdemokraten stets gemieden haben. Gysi deutet diesen Begriff nicht autoritär, sondern rational - doch die Richtung ist klar. Wenn die Linkspartei Israel als Teil deutscher Staatsraison anerkennt, demonstriert sie, dass sie endgültig im westlichen Wertesystem angekommen ist

Das ist die strategische Bedeutung dieser Rede - und ihre Botschaft über die eigene Partei hinaus. Die Linkspartei hat sich vor allem in der Außenpolitik auf einen Fundi-Pazifismus zurückgezogen, der sogar ein generelles Nein zu UN-Einsätzen einschließt. Solange das so ist, dürften alle rot-rot-grünen Planspiele Makulatur bleiben. Gysis Rede ist eine Lockerungsübung, ein Schritt, um die außenpolitische Selbstisolierung der Partei aufzubrechen.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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3 Kommentare

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  • D
    Dimitrij

    Volle Zustimmung zum KOmmentar und zur Rede Gysis.

    Der Herr Zock hat hier ein schönes Beispiel geliefert, warum das immer noch ein Thema ist.

  • HZ
    Heiner Zok

    Was ist von 1968 geblieben? fragt die taz neben vielen anderen Medien und lässt einige Ikonen jener Zeit zu Wort kommen. Der Kampf um die Deutungshoheit jener Jahre geht wohl noch weiter, aber erkennbar ist schon, dass auf einer gewissen Abstraktionsebene Gemeinsames feststellbar bleibt, wenn man einmal von Spinnern wie Aly absieht: Rebellion gegen Althergebracht-Unterdrückendes, Emanzipation von den Fesseln ungerechter Machtverhältnisse, Suche nach Alternativen in Richtung Freiheit, Selbstbestimmung, Verwirklichung der Menschenrechte und gegen die weltweiten Imperialisten von Washington bis Moskau - eben eine genuin linke Bewegung. Auch die taz verdankt schließlich ihre Existenz dieser politischen Strömung.

     

    Es macht den Charme jener Jahre aus, dass es viele Suchen und viele Suchende in viele Richtungen gab, von denen bekanntlich etliche scheiterten. Aber, wie schon weiland Tennyson sagte: "It's better to have loved and lost than never to have loved at all!" Wieviel interessanter wäre dieses Jahrhundert mit einem Bruchteil jener linken Energie!

     

    Stattdessen lesen wir im Kommentar von Stefan Reinecke eine Verteidigung imperialistischer Politik, von staatlich begangenem Mord und Terrorismus, Ignoranz der Völkerrechts und der Menschenrechte, all jenen Praktiken also, für die einmal die Parole "Nie wieder!" erfunden wurde. Wer als Deutscher aus der Nazi-Ära nicht die Konsequenz gezogen hat, dieses "Nie wieder" immer und unter allen Umständen hochzuhalten, wer die Mutation von Opfern zu Tätern überall außer in Israel beklagt, wer nach Vietnam, Kambodscha, Chile, Nicaragua, Afghanistan, Irak etc. etc. immer noch gefühl- und instinktlos die Sprechblase des "westlichen Wertesystems" strapaziert, der, ja der sollte 68 noch einmal erleben dürfen.

     

    Stefan Reinecke gibt eine vielsagende und auch für die taz niederschmetternde Antwort auf die Eingangsfrage.

     

    Vielleicht sollten wir nochmal anfangen?

  • HR
    h. rohwer

    die staatsraison war hier in deutschland lange ducken und maulhalten, heute zum glueck nicht mehr.

    dem staat israel an sich das existenzrecht abzusprechen ist falsch, aber dem staat israel das verhalten gegenueber seinen freunden, nachbarn und feinden vorzuhalten, zu loben und oder zu kritisieren ist meinungsfreiheit.

    und die wollen sie doch nicht ausgeschaltet wissen, oder?