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Kommentar Ampel-DiskussionEmanzipation von Westerwelle

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

In der Debatte über eine Ampelkoalition in NRW liegt eine Chance für die FDP. Die angeblich privilegierte Partnerschaft zur Union ist den Liberalen zur Fessel geworden.

Eigentlich spricht in Nordrhein-Westfalen kaum etwas für eine Koalition der FDP mit dem Duo SPD und Grüne. Die Freidemokraten haben Kampagnen gegen die "Verspargelung der Landschaft" durch Windräder gefahren, Studiengebühren eingeführt und gegen den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gewettert. Die FDP-Wähler sind mehrheitlich Männer und Landbewohner, die der Grünen überwiegend Frauen und Städter. Mentalitäten und Politikinhalte könnten unterschiedlicher kaum sein. Trotzdem liegt in der Debatte über eine Ampelkoalition eine Chance.

Nordrhein-Westfalen, das in seiner Vielfalt eine Art Durchschnitt der deutschen Gesamtbevölkerung darstellt, hat mehrmals Koalitionen auf Bundesebene vorweggenommen: 1995 Rot-Grün, 2005 Schwarz-Gelb. Selbst wenn es 2010 nicht zu einer Ampelkoalition kommen sollte, böte sich für die Parteien die Gelegenheit, die Tragfähigkeit dieses neuen Bündnisses zumindest auszuloten.

Bild: taz

Matthias Lohre ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Allen voran gilt dies für die FDP. Derzeit wird offenkundig, was ihre einseitige Bindung an die Union anrichtet: Sie muss im Bund hinnehmen, dass die Kanzlerin das zentrale FDP-Versprechen der Steuersenkungen mit wenigen Sätzen abräumt. Die angeblich privilegierte Partnerschaft ist der FDP zur Fessel geworden.

Der Partei bietet sich in der größten Krise der vergangenen Jahre zugleich eine große Chance: Nur Tage nach ihrer Wahlniederlage kann sie beweisen, dass sie sich SPD und Grünen zumindest anzunähern vermag. Das ist nicht leicht: Die FDP muss dafür das Kunststück der Grünen wiederholen, denen es gelungen ist, ihre vielfarbigen Koalitionen als "Kurs der Eigenständigkeit" zu verkaufen, nicht als Beliebigkeit. Dazu gehört Fingerspitzengefühl. Guido Westerwelle fehlt es.

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Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wurde von der Kritik gefeiert. Anfang 2025 veröffentlichte er seinen zweiten Roman "Teufels Bruder" über Heinrich und Thomas Mann in Italien.

6 Kommentare

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  • V
    vic

    Vielleicht irre ich mich.

    Aber früher neigten Außenminister dazu, sich gelegentlich außerhalb der BRD aufzuhalten.

    Also wtf macht der eigentlich ständig hier?

  • A
    Amos

    Ist doch klar: Die FDP will oben mitmischen, denn wer

    oben mitmischt kann auch ohne Diäten reich werden.

    Wenn mit Diäten um so besser. Der blöde Bürger zahlt ja nicht nur für die Diäten, sondern verzichtet auch für die, die dafür sorgen, dass er verzichten muss.

    Gewinne macht man in der Politik (siehe Clement) in dem man den arbeitenden Bürger und System-kaputten, zwingt etwas zu tun, was zwar gegen die Menschenwürde verstößt es aber für den Hehler hohen Gewinn bringt.

  • HV
    Hosen voll

    Da die FDP die Hosen voll hat,

    neigt sie jetzt zur Prostitution

    und möchte es mit jedem treiben.

  • MG
    Matthias Glatz

    Alternativ könnte die FDP beim einzigen bleiben, dass ihr wichtig ist: Steuersenkungen für Besserverdienende. Wäre doch schön, wenn diese verlogene, machtgeile Umfallerpartei in Zukunft nur die 2,5-3% an Wählerstimmen erhielte, da sie ja auch nur für maximal 2,5-3% der Bevölkerung Politik macht. Die FDP braucht man nun wirklich nicht in Deutschland. Wozu haben Union und SPD rechte Flügel? Diese können den Dünnpfiff den die FDP verzapft bestimmt genausogut, wenn nicht noch besser verzapfen. Deutschland braucht die FDP so nötig wie ein Fisch ein Fahrrad! Und als Trost für Mövenpick und Co: Rüttgers läßt sich auch kaufen!!!

  • A
    Amos

    Wer SPD wählt will keine "Mövenpick-Partei". Bekommt man stets was anderes vorgesetzt, als das, was man gewählt hat, macht es keinen Sinn mehr überhaupt noch zu wählen. Die SPD sollte sich doch klar werden, dass sie

    wenn sie die FDP mit ins Boot holt,noch mehr SPDisten

    an die Linken verliert. Aber die Bonzen schmieren zu gut. Daher kann man sich mit den Linken nicht einlassen?

  • M
    MikaL

    "Die FDP muss dafür das Kunststück der Grünen wiederholen, denen es gelungen ist, ihre vielfarbigen Koalitionen als "Kurs der Eigenständigkeit" zu verkaufen, nicht als Beliebigkeit".

    Zu "verkaufen". Sie sagen es, Herr Lohre.

    Welch verlogene, verk...(vorsicht, taz-Zensur) Politclique herrscht in diesem Lande!

    Aber es paßt ja: da die neoliberale FDP, hier die neoliberalen Cem'istischen Grünen, dort die neoliberale Schröderianer PD. Es is eh wurscht, wer hier die Regierung stellt.

    Wer im Glauben an die schönen Worte des Agenda 2010-Fans Kraft oder die Öko-Perspektive der Grünen diese Parteien wählte, darf sich nun nicht aufregen. Selber schuld.

    Es geht diesen Leuten um Macht, Klientelwirtschaft und den eigenen Geldbeutel.

    Das Land, die Menschen in diesem Lande? Ach wo.

    Fleißig dabei die taz. Wo Grün drauf steht ist die taz dafür. Welch Reflektionsfähigkeit. Wow.

    Armes Deutschland, arme Deutsche!