Kommentar Afghanistan: Ende des Polizeieinsatzes
Deutschland ist auch juristisch in der Realität angekommen: Die militärischen Auseinandersetzungen in Afghanistan werden jetzt als "bewaffneter Konflikt" bezeichnet.
J etzt ist Deutschland auch juristisch in der afghanischen Realität angekommen. Am Hindukusch herrsche ein "bewaffneter Konflikt", stellte Freitag die Dresdner Generalstaatsanwaltschaft fest. Und der neue Verteidigungsminister Guttenberg stimmte zu. Auch für ihn sind die militärischen Auseinandersetzungen in Afghanistan ein "bewaffneter Konflikt", wie er jetzt erstmals erklärte.
Für die Bundeswehr ist das erst mal vorteilhaft. Wenn sie Taliban-Stellungen angreift, hat sie damit Rechtssicherheit. Das Töten eines militärischen Gegners im bewaffneten Konflikt ist rechtmäßig.
Solange es sich in Afghanistan um eine Art von Polizeieinsatz handelte, durften die Soldaten nur in Notwehr schießen, also wenn sie angegriffen wurden. Doch diese Zeiten sind vorbei. Jetzt darf die Bundeswehr auch angreifen.
Christian Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Auch für Oberst Klein hat die neue Ehrlichkeit Vorteile. Er hatte das Bombardement auf zwei Tanklaster in Kundus angeordnet und dabei den Tod von Dutzenden Zivilisten verursacht. Zwar kann es sein, dass gegen ihn bald wegen eines Kriegsverbrechens ermittelt wird. Doch auch wenn das dramatisch klingt, ist es für ihn immer noch besser als normale strafrechtliche Ermittlungen wegen Mord, Totschlag oder fahrlässiger Tötung. Denn die Anforderungen an den Vorsatz sind bei solchen Kriegsverbrechen so hoch, dass Klein vermutlich straffrei ausgehen wird - während ihm nach normalen strafrechtlichen Regeln wohl Gefängnis gedroht hätte.
Man wundert sich, dass das Verteidigungsministerium so lange gegen den Begriff "Krieg" gekämpft hat. Man hätte schon vor Monaten zugegeben können, dass es einen bewaffneten Konflikt gibt und dass "Krieg" als Auseinandersetzung zwischen zwei Staaten einfach der falsche Begriff ist. Aber so viel Cleverness war mit Guttenbergs Vorgänger Franz Josef Jung einfach nicht zu machen.
Jetzt kommt es allerdings darauf an, dass das Bombardement von Kundus von der Bundesanwaltschaft ernsthaft untersucht wird. Selbst nach dem eher militärfreundlichen Maßstab des Völkerstrafgesetzbuchs dürfte das Bombardement der feststeckenden Tanker eindeutig unverhältnismäßig gewesen sein. Man hätte die umstehenden Menschen zumindest warnen müssen.
Und die Bundeswehr muss endlich aufhören, die afghanischen Bauern nach Gesinnung zu sortieren, in "regierungsfeindliche Kräfte", die man ohne Weiteres töten darf, und in "unbeteiligte Zivilisten", die aber nicht nachts um einen von Taliban gekaperten Tanklaster herumstehen. Auch Taliban-Sympathisanten haben ein Lebensrecht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei