Kommentar Afghanistan: Schwarzes Loch am Hindukusch
Die USA haben das Militärgefängnis Bagram den Afghanen übergeben, aber nicht alle Gefangenen. Einige werden unter US-Kontrolle bleiben.
D er Fall des bisherigen US-Militärgefängnisses Bagram zeigt, wie groß das Misstrauen zwischen Amerikanern und Afghanen ist. Für die Afghanen ist es eine Souveränitätsfrage, dass eine fremde Macht auf afghanischem Territorium nicht einfach Afghanen verhaften und ohne Gerichtsverfahren einsperren kann.
Für das US-Militär kommt es darauf an, dass es seine Gefangenen nicht an eine käufliche Institution überstellt, die sie womöglich auf freien Fuß setzt. Deshalb haben die USA zwar jetzt das Gefängnis den Afghanen übergeben, aber nicht alle Gefangenen. Einige werden unter US-Kontrolle bleiben.
Beide Positionen sind verständlich – und hätten nicht zum Konflikt geführt, wäre in Afghanistan ein einigermaßen funktionierender Rechtsstaat entstanden. Was bekanntlich nicht der Fall ist. Aber auch unter ausschließlicher US-Kontrolle war Bagram kein rechtsstaatlicher Ort. Gefangene hatten dort noch weniger Rechte als im berüchtigten US-Lager Guantánamo.
ist Auslandsredakteur der taz.
Denn dessen Insassen können vor US-Gerichten klagen, weil in Guantánamo US-Gesetz gilt, in Bagram aber nur die Genfer Konvention. Und anders als in Guantánamo konnten in Bagram Anwälte nie ihre Klienten besuchen.
Niemand kann ernsthaft ausschließen, dass Gefangene in einem afghanisch kontrollierten Bagram misshandelt werden. Doch dies war dort schon zu US-Zeiten so, als Gefangene nach US-Berichten zu Tode gefoltert wurden. Bis heute gibt es zudem Indizien für ein „schwarzes“ Gefängnis der US-Geheimdienste auf der angrenzenden Militärbasis.
Im Streit um Bagram ging es aber nie um rechtsstaatliche Fragen. Das zeigt, wie wenig vom Versprechen auf ein demokratisches Afghanistan wie vom US-Rechtsstaat bei Militärinterventionen im Ausland übrig geblieben ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!