Kommentar Afghanistan-Mandat: Chefsache Krieg
Bei der Abstimmung über den Afghanistan-Einsatz hat die Opposition die Schwäche des Verteidigungsministers nicht ausgenutzt, um eine Kursschwenk zu vollziehen.
M it ihrer Jastimme haben 419 Abgeordnete das Afghanistan-Mandat verlängert; einige weniger als im letzten Jahr. Doch ein Denkzettel für den wegen diverser Bundeswehrskandale in Bedrängnis geratenen Karl-Theodor zu Guttenberg ist ausgeblieben.
Trotz mancher Spitze hat die Opposition die Krise des Verteidigungsministers nicht ausgenutzt, um den plötzlichen Kursschwenk zu vollführen. Das verdient Respekt. Es zeigt, dass die Politik den Afghanistankrieg nicht mehr abstrakt behandelt, sondern weiß, worum es geht: vor allem um ein Stück humanitäre Verantwortung für ein Land, in das man vor fast zehn Jahren blind und konzeptlos einmarschiert ist.
Die wahre Prüfung des Jahres 2011 wird aber nicht im Bundestag gelöst. Sie vollzieht sich in einigen Wochen in Afghanistan selbst - wenn die Frühjahrsoffensive der Taliban bevorsteht. Aufständische werden möglicherweise nach Gefechten aus jetzt umkämpften Regionen zurückgedrängt und setzen sich in heute noch ruhigere Gebiete ab.
Gordon Repinski ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.
Niemand weiß, welche Folgen das für die Regionen haben wird. Nur eines ist sicher: Das wird dann auch die Abzugspläne der Bundeswehr beeinflussen. Es kann die Pläne sogar völlig infrage stellen.
Wenn der Teilabzug am Ende des Jahres aber nicht gelingt, wird die Opposition nicht mehr ruhig bleiben. Neben der Linken werden dann wohl auch SPD und Grüne das Mandat ablehnen. Der Afghanistan-Einsatz wird dann zum Regierungskrieg. Die Opposition würde Seite an Seite mit der Mehrheit der Bevölkerung den Abzug fordern.
Für die Kanzlerin heißt das - nicht erst durch die neue Schwäche des Verteidigungsministers -, dass Afghanistan Chefsache werden muss. Selbst dann kann 2013 etwas geschehen, das lange unmöglich war: dass eine Kanzlerin wegen eines verlorenen Krieges abgewählt wird.
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