piwik no script img

Kommentar Abstufung SpanienRatingagenturen lernen dazu

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

So ungerecht die Herabstufung Spaniens wirkt – in Wahrheit ist sie ein Befreiungsschlag. Es bringt nichts, den Sparkurs weiter zu verfolgen.

Verbittert, bekleckert, abgewertet: Spanien hat es nicht leicht. Bild: reuters

F rechheit, könnte man denken: Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s stuft den spanischen Staat noch weiter herab. Seine Kreditwürdigkeit befindet sich jetzt nur noch knapp oberhalb des Ramschniveaus.

Diese Herabstufung wirkt ungerechet, hat doch Spanien alles getan, um sein Rating zu verbessern. Die Regierung hat drastisch gespart, die Steuern erhöht und dem Volk zugemutet, dass die Arbeitslosigkeit auf ein Rekordhoch von 25 Prozent steigt. Und dies alles soll umsonst gewesen sein?!

So ungerecht das Rating wirkt – in Wahrheit ist es ein Befreiungsschlag. Denn Standard & Poor’s erkennt damit faktisch an, dass der bisherige Sparkurs nichts bringt. Interessant ist daher die Begründung für das schlechte Rating: Die Agentur hebt auf die Rezession und die sozialen Spannungen in Spanien ab.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass der EU-Kurs obsolet ist, der immer noch darauf setzt, Spanien rigide Sparvorgaben zu machen. Das Land benötigt Zeit, um sich von seiner Immobilienblase zu erholen. Indirekt formuliert Standard & Poor’s also ein scheinbares Paradox: Spanien kann seine Schulden langfristig nur bedienen, wenn es kurzfristig mehr Schulden machen darf.

Bild: taz
ULRIKE HERRMANN

ist finanzpolitische Koresspondentin der taz.

Diese Erkenntnis hatten die spanischen Demonstranten schon immer, und sie setzt sich auch beim Internationalen Währungsfonds durch – für alle Euro-Krisenländer. IWF-Chefin Lagarde forderte erneut, Griechenland mehr Zeit zu geben.

Bisher schweigt die Bundesregierung dazu, aber ihre Haltung ist bekannt: Keine weiteren Milliarden für Athen! Was stimmt: Es würde Geld kosten, die Kredite für Griechenland zu strecken. Aber wie das neue Rating für Spanien klarmacht, wird es noch teurer, auf Kürzungen zu bestehen.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • F
    Felser

    Ratingagenturen verhalten sich rational im eigennützigen Sinne, wie das wohl meistens in der Welt geschieht. Dass Ratingagenturen mit Blick auf ihre Financiers nicht gerade anstreben, dass weniger Kredite in Wirtschaft und Staaten gepumpt werden, liegt auf der Hand, oder? Teurer werden dürfen sie allerdings, wobei das Rating hilfreich sein kann ...

  • S
    Sinnvoll

    sind die Prognosen nur im Sinne des Wirtschaftskrieges, welchen die USA gegen Europa führen.

     

    Die Agenturen haben nicht versagt, sondern sind ihrem Zweck, der europäischen Wirtschaft maximal zu schaden, um sie abschussreif zur Übernahme zu machen, sehr gerecht geworden.

     

    Die Ergebnisse sind Ausverkauf von Gemeineigentum überall auf der Welt.

    Trinkwasser, Land, Rohstoffe, Infrastruktur, Patente auf Lebewesen, Daten der Bevölkerung, das Recht auf informelle Selbstbestimmung, Umwelt, die Einkommen von Folgegenerationen:

    Alles wird zu Dumpingpreisen an Konzerne verschachert.

     

    Allerdings muß man europäischen Staatenlenkern, Bankern, auch den Stadträten, die das Geld ihrer Bürger bei Hedgefonds anlegen, folgendes vorhalten:

    Daß sie ständig versuchen, ihre Unfähigkeit damit zu übertünchen, daß sie sich Kompetenz einkaufen zu können glauben.

     

    Im Kapitalismus wird, wer keine Ahnung hat, über den Tisch gezogen, so ist das nun mal .

     

    Allerdings nicht nur der:

    Den Griechen und Spaniern geht wohl langsam auf, was für ein Pack ihre Geschicke lenkt, nur werden sie inzwischen mit Waffengewalt in Schach gehalten.

  • VB
    Volker Birk

    Der Zweck von Rating-Agenturen ist es nicht, dass sie hinterher dazulernen, sondern dass sie sinnvolle Prognosen abgeben.

     

    Ich würde ja gerne schreiben, dass die Agenturen kaum irgendwo so versagt haben wie in Spanien – leider ist das Gegenteil der Fall.

     

    Die Rating-Vorhersagen sind allesamt die Bytes und das Papier nicht wert, die zu ihrer Veröffentlichung genutzt werden.