Kommentar 10 Jahre Wikipedia: Kostenlos und ohne Werbung
Das Online-Lexikon Wikipedia zeigt, dass es sehr wohl funktionieren kann, auf das Wissen und die Intelligenz der Web-User zusetzen.
D as Erstaunlichste an der Wikipedia ist, dass es sie gibt - in der Form, wie sie täglich von Millionen Menschen genutzt wird. Denn die größte Online-Enzyklopädie der Welt basiert auf einem digitalromantischen Traum. Dem, das Wissen der Menschheit verfügbar zu machen. Kostenlos. Ohne Werbung. Zusammengetragen von einer Weltgemeinschaft der Freiwilligen.
In diesen Tagen wird die Wikipedia zehn Jahre alt. Seitdem wurden dort Millionen Artikel verfasst, in mehr als 270 Sprachen. Studien haben belegt, dass sie qualitativ auf einer Stufe steht mit altehrwürdigen Lexika wie dem Brockhaus. Weil sie aktueller reagieren kann und weil sie ausführlicher ist.
Der Organismus Wikipedia zeigt, dass es funktionieren kann, Vertrauen in die Intelligenz der Vielen zu setzen. Auch wenn viele, etwa der US-Netzpionier Jaron Lanier, kritisieren, dass derartige Schwarmintelligenz zu einer Diktatur des Mittelmaßes führt.
Natürlich gibt es Probleme. Weil jeder mitmachen kann, wird auch viel Falsches in Wikipedia-Artikel hineingeschrieben. Subjektive Weltanschauungen. Oder PR in eigener Sache. Meist wird das binnen Stunden von denen korrigiert, die im Maschinenraum der Wikipedia ihre Freizeit verbringen. Aber eben nicht immer.
Am populärsten wurde der Lapsus im Eintrag "Karl-Theodor zu Guttenberg": Ein Enzyklopädist fügte unbemerkt einen elften Vornamen ein. Viele deutsche Medien, auch die taz, schrieben ihn dort einfach ab. Das liegt aber nicht am Prinzip Wikipedia an sich, sondern an ihrer Nutzung als ausgelagertes Gehirn: Sie ist ein Nachschlagewerk für mündige, kritische User. Für solche, die nicht nur lesen, sondern mitdenken und mitschreiben. So langwierig und frustrierend das auch sein kann.
Die Chance, mitzumachen - das ist die große Errungenschaft der Wikipedia. Kann aber auch ihre größte Schwäche werden. Denn sie ist immer nur so gut wie die Menge und Qualität ihrer Autoren. Und von denen gibt es heute, im Verhältnis zu ihrem dominanten Einfluss und ihrer gewaltigen Nutzerschaft, noch zu wenige.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär
Trumps Wiederwahl
1933 lässt grüßen