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KolumneDie Doping-Hitparade

Von kuriosen Ausflüchten, tränenseligem Gestammel und abgewichsten Geständnissen im Radsport.

In meinem Ranking der witzigsten Dopinggeständnisse nimmt das von Dario Frigo nach wie vor einen einsamen Spitzenplatz ein. 2001 wars, als der italienische Radrennfahrer während des Giro dItalia bei einer wilden Razzia in San Remo von der Polente hopsgenommen wurde. Wie in etlichen Zimmern des durchrazzten Fahrerhotels hatte man auch in Frigos Quartier verbotene Substanzen gefunden. Frigo gab zunächst ohne Umschweife zu, davon genascht zu haben. Er habe eben siegen wollen, wie er den verdutzten Dopingfahndern mit geradezu entwaffnender Offendosigkeit erklärte. Wenig später zog es Frigo aber vor, seine Aussage zu relativieren. Nicht er sei gedopt gewesen, sondern sein Kulturbeutel. Darin aufbewahrt hätten ihm die leistungssteigernden Mittel lediglich zur "psychologischen Stärkung" gedient. Na bitte: So prima gestrickt können Ausflüchte sein.

Bild: taz

Fritz Tietz ist 48 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

Wie öde kam dagegen Erik Zabels Drogenbekenntnis daher. Sein tränenseliges Gestammel neulich samt ekelhafter Sohninstrumentalisierung rangiert denn auch ganz unten in meiner Hitparade. Nicht mal im Rahmen einer nächtlichen Polizeiaktion mit Warnschüssen und Fenstersprüngen wie seinerzeit in San Remo, sondern bloß im geleckten Ambiente eines Presse- und Schnittchenempfangs in der wärmstens ausgeleuchteten Telekomzentrale präsentierte sich da der Milramfahrer mit weißer Weste und devotem Dackelblick. Zugegeben, ich mochte Zabel noch nie besonders. Fand sein öffentliches Auftreten immer zu gefällig, zu ranschmeißerisch sein mediales Gekumpel, zu bemüht in seinem streberhaften Vorsatz, den Mainstream zu bestrampeln und nichts als den treudeutschen Sprinter zu geben. Ein Image wie ein Knetgummi. Wie es aber hierzulande wohl geschätzt wird. So sehr, dass seinem Träger selbst sein so mattes Betrugseingeständnis nichts anhaben konnte. Bei der anschließenden Bayernrundfahrt jubelten ihm die Massen derart zu, dass es sogar Zabel kaum fassen konnte.

Von den Dopinggestehern der jüngeren Zeit hat es nach meinem Empfinden allenfalls Bjarne Riis verdient, als einigermaßen gewitzt, oder sagen wir besser: abgewitzt bezeichnet zu werden. Schon wegen seines abgewichsten Geständnisgrundtons. Und wegen der sagenhaften Chuzpe vor allem, mit der der Tour-Sieger von 1996 sein Gelbes Trikot zur Rückgabe anbot: "Es liegt zu Hause im Pappkarton in der Garage. Wenn ihr es holen wollt, bitte schön!" Keine Ahnung, ob das jemand beherzigt hat. Sicher ist nur: Während Zabel weiterhin unbehelligt Rennen beradelt, wurde Riis Name aus der ewigen Siegerliste der Tour de France gestrichen.

Zugefallen ist ihm dafür immerhin das Verdienst, endlich einmal die Frage nach dem Aufbewahrungsort des Gelben Trikots aufgeworfen zu haben. Nicht dass ich mich diese Frage nie zu stellen getraut hätte. Sie ist mir bloß nie eingefallen. Jetzt aber, und ausgerechnet in dem Moment, in dem ich mich erschüttert vom verluderten Radsport abwende, findet sie ihre Antwort: In einem gewöhnlichen Pappkarton in der Garage bewahrt also der dänische Toursieger sein Maillot Jaune auf. Da fragt man sich doch erstens: Muss es denn unbedingt - gemessen zumindest an unserer Garage - ein so mottenverseuchter Ort sein? Und zweitens: "Wo würdest du dein Gelbes Trikot lagern?"

Freund Hein, dem ich gestern telefonisch diese Frage stellte, sagte: "In der Garage auf jeden Fall nicht. Schon weil ich keine besitze." Im Übrigen befällt ihn bei dem Gedanken, ein Gelbes Trikot daheim aufbewahren zu müssen, weniger die Angst vor Motten als die panische Sorge, es beim Waschen aus Versehen zu verfärben; so wie er das vor Jahren mit seinem historischen Eintracht-Braunschweig-Trikot geschafft habe. Aber das nur nebenbei. Normalerweise rief ich Hein um diese Jahreszeit rum immer an, um gemeinsames Tour-de-France-Gucken zu verabreden. Dieses Mal verabredeten wir aber nur, überhaupt keine Tour mehr zu gucken. Warum? "Aus Protest," wie es der Oldenburger Schriftsteller und Bibliothekar Günther Willen einst (so ca. 1968) seinem A-Jugend-Trainer entgegenschleuderte, als der von ihm wissen wollte, warum er das Haar so lang trüge.

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