■ Kolumne: Moin, Hamburg
Käse: „Rinks und lechts kann man nicht velwechsern“, sagte man früher. Es gibt keine linke oder rechte Politik, es gibt nur richtige Politik, sagt man heute. Das schien der schlachterprobte Kampfhund Helmut Markwort vergessen zu haben, als er losjammerte, Stern und Spiegel seien der neuen Regierung viel näher als sein armer Focus. Mit derselben Dreistigkeit läßt er allwöchentlich mit dem selben, lediglich mit anderem Text unterlegtem Film für sein Käseblatt Reklame machen: die getürkte Redaktionssitzung, in der der Chef seiner Belegschaft zu erklären vorgibt, zu welchen großartigen Informationen die aktuelle Titelgeschichte dem noch zögernden Käufer Zugang ermöglicht.
Karriere 1: Weil links und rechts jetzt also dasselbe sind, ist es auch anscheinend für niemand mehr erstaunlich, wenn der Chefredakteur der zumindest irgendwann früher mal halbwegs linksen Hamburger Morgenpost zur eh und je weit rechtsen Welt wechselt. Oder bewahrt nur ein jeder Springer-Feind Stillschweigen in der Hoffnung, daß dort niemand merkt, daß man sich mit Dr. Döpfner einen echten Blattvernichtungsgaranten eingekauft hat?
Konkurrenz: Immer wieder betrübt es mich, daß die MoPo meine Leserbriefe nicht druckt, mit denen ich ihrem treuen Leserbrief-Kanonier Peter May Konkurrenz zu machen versuche. Seit dem Machtwechsel ist das Blatt ja auch nicht mehr so lustig wie zu Zeiten Dr. Döpfners. Und einige seiner revolutionärsten Neuerungen wurden ja auch von seiner Nachfolgerin gleich wieder abgeschafft. Etwa die brillante Idee vor den Titel jeder Rubrik „Hamburg & ...“ zu schreiben. Leider hat der Doktor das bei der Welt noch nicht eingeführt.
Kolumne: Auch meine MoPo-Lieblingsrubrik „Moin, Hamburg“, die von der Seite 2 zugunsten feuriger Politkommentare (womöglich als „Leitartikel“ gedacht) nach weiter hinten verbannt wurde, würde sich in der Welt garantiert bestens machen. Als „Moin, Welt“ oder eher wohl: „Guten Morgen, Welt“ (aber heißt so nicht schon ein Song von Funny Van Dannen?).
Klasse: Aber „Moin, Hamburg“ macht sowieso keinen Spaß mehr, seitdem Stammautorin „-sus“ durch „-ka“ ersetzt wurde. Während –sus nach anfänglichen Stilblütenträumen zu großer Form auflief und spätestens mit den Erinnerungen an ihre 80er-Jahre-Jugend blumigstes New-Wave-Feuilleton lieferte (gibt's schon einen Buchvertrag bei KiWi?), schreibt –ka Sätze wie Flirten am Feierabend bringt Spaß.“
Karriere 2: Die MoPo wird also nun von einer Chefredakteurin dirigiert, die ihr Handwerk bei einem TV-Magazin gelernt hat. Es scheint in der Pressewelt mittlerweile auch so zu sein wie etwa in der Plattenindustrie: Irgendein inhaltlicher Bezug zu dem Produkt, das man da verkaufen soll, scheint nicht unbedingt erwünscht. Dafür spricht, daß der neue Leiter des bundesweiten Stadtmagazins Prinz vorher bei der Fachzeitschrift Mountainbike tätig war.
Was mich an die schöne Armageddon-Geschichte von Daniel Clowes erinnert, in der kurz vor dem Weltuntergang die Interessen der Menschheit immer spezieller werden. Illustriert wird diese Prophezeiung mit dem Bild eines Dialogs zweier Männer: „Und was machst du so?“ – „Ich gebe ein Fanzine heraus für Leute, die Abraham-Lincoln-Statuen aus Ohrenschmalz machen.“ – „???“ – „Ja, lach nur, aber wir sind Millionen!“ Detlef Diederichsen
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