■ Kolumne: Satanische Industrie
Die teuflische Gestalt des Satans Plattenindustrie zeigt sich auf vielerlei Weise, unter anderem auch darin, wie er es verhindert, daß uns armen Menschlein die Mühsal der Existenz hienieden durch eine Palette anständiger Abspielgeräte ein wenig erleichtert wird. Viel unsinnige Hardware steht ja heutzutage in den Ställen des Konsumentenviehs, und die diabolischen Teuflein in den Elektronikgeschäften sehen es als ihre Existenzberechtigung, uns noch mehr von diesem sinnlosen Tand anzudrehen.
Eigentlich könnte man sich ja auf DAT und CD-R beschränken. Beide Geräte könnten, seit gut zehn Jahren auf dem Markt, nunmehr technisch ausgereift und per Fernbedienung zackzack komfortabel zu bedienen sein. DAT-Geräte werden allerdings seit genauso langer Zeit mit Leidenschaft von der Industrie torpediert. Zuerst wollte man sie gar nicht in den freien Verkauf lassen. Heute sind sie zwar allgemein erhältlich und zählen im professionellen Sektor – Tonstudios usw. – zur Standardausrüstung, aber der Normalkonsument weiß kaum etwas davon. Es gibt keinerlei Werbung, keine Marketingoffensive, Hardware- und Plattenindustrie haben sich auf eine Art offiziellen Handel unter dem Ladentisch geeinigt.
Statt dessen wird die MiniDisc mit viel Aufwand und noch mehr Geld gepusht, damit sich der Konsument wieder mal trotz voraussehbar zeitlich äußerst begrenzter Verwendbarkeit für eine weiteres Format neu einrichtet, das heißt: ein Abspielgerät für zu Hause kaufen, eins fürs Auto, eins für den mobilen Gebrauch, dazu noch die halbe Plattensammlung, also Thriller, Simon & Garfunkels Greatest Hits,Dark Side Of The Moon und diese eine von Bon Jovi nochmal als MD besorgt. Satan hält grinsend die Hand auf.
Weitblickendere Leute stellen sich nun also zu Hause einen CD-Recorder hin oder besorgen sich einen CD-Brenner und die nötige Software, um im Heimcomputer sich CDs nach eigenem Gusto zusammenzustellen. Beides ist jedoch mit allerlei Tücken behaftet. Es liegt nahe, dahinter einen evil plot der Tonträgerhersteller zu vermuten. Die Software stürzt gerne ab oder es kommt zu Fehlern im ohnehin langwierigen Brennvorgang, die die CDs unbrauchbar machen. Ist es denkbar, daß auf der ganzen Welt kein Programmierer in der Lage ist, ein brauchbares, endkonsumentenfreundliches CD-Brenn-Programm zu schreiben? Nein, genausowenig wie man glauben kann, daß CD-Recorder so viel umständlicher sein müssen als DAT-Geräte. Warum erkennt letzteres den Beginn eines neuen Titels nach einer Pause, wohingegen ersterer nach jeder Drei-Sekunken-Pause eine neue Anfangsmarke setzt – was dazu führt, daß man etwa bei einer dreißigsekündigen Pause zehn neue Titel auf seiner CD hat?
Nein, hinter solchen Gemeinheiten kann nur die Phono-Akademie, die GEMA, die IFPI oder ein anderes Organ jener nach ewiger Finsternis strebenden, weltumspannenden, kriminellen Vereinigung namens Tonträgerindustrie stecken. Gut gerüstet mit schlachterprobten Truppen zieht man jetzt in das Gefecht um die aus dem Internet herunterladbaren Musikdateien. Auf lange Sicht ein nicht zu gewinnender Krieg. Doch bis zur endgültigen Niederlage wird Satan sich noch vielerlei Quälereien ausdenken, um uns das Musikhören auf Erden zur Hölle zu machen.
Detlef Diederichsen
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