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Kolumne die Farbe LilaDas echte Leben da draußen

Kolumne
von Susanne Klingner

Warum ein gutes Jobangebot nicht immer gut ist. Ob Chefs eigentlich ahnen, was sie ins Rollen bringen, wenn sie Männern diese Top-Jobs anbieten?

M ein bester Freund, er macht Öffentlichkeitsarbeit in der Politik, hat einen Job angeboten bekommen – die Art von Job, die man vielleicht nur ein einziges Mal im Leben angeboten kriegt.

Er rief mich an und hyperventilierte ins Telefon.

"Das ist genau die Stelle, bei der ich all das machen kann und muss, was ich gut kann und gern machen will. Das ist ein Rie-sen-laden! Und anstatt wie jetzt einmal im Monat nach Stuttgart zu tingeln, fliege ich dann nach Genf und St. Petersburg, vielleicht nimmt mich mein neuer Chef sogar mal mit nach New York. New York! Das wäre der Wahnsinn! Vor allem müsste ich nicht mehr das Kleinklein hier machen, von dem ich nie weiß, ob es was nützt. Dann wäre ich direkt dran an den großen NGOs und würde auch mal sehen, ob ich überhaupt irgendetwas verändern kann."

Bild: Stephanie Fuessenich
SUSANNE KLINGNER

ist Mitautorin des Buches "Wir Alphamädchen" und bloggt als Frau Lila.

"Du musst diesen Job UNBEDINGT annehmen", sagte ich. Am nächsten Tag traf ich seine Freundin. Sie war über das Angebot weit weniger begeistert.

"Was ist los?", fragte ich.

"Wir versuchen gerade, ein Kind zu kriegen. Vielleicht bin ich schon schwanger, wer weiß. Und noch bevor ich einen Test machen kann, sagt mein Freund wohl einen Job zu, in dem er täglich zwölf Stunden arbeitet und jede Woche in irgendeine andere Stadt auf dieser Welt fliegt. Wenn kein Kind kommt, ist das okay, ich mache meinen Job, er macht seinen, und wenn wir uns sehen, verbringen wir eine schöne Zeit miteinander.

Nur: Wenn eines kommt, kann nicht mehr jeder seinen Job machen, dann kann er nicht mal Elternzeit nehmen, das haben die ihm beim Vorstellungsgespräch gleich gesagt. Dabei war das ausgemacht: möglichst halbe-halbe und später dann beide ein bisschen runter mit den Arbeitsstunden. Damit wir beide was vom Kind haben und beide arbeiten können. Und jetzt dieser Superjob. Dieser Scheißjob. Da denkst du jahrelang gemeinsam nach, wie das Zusammenleben und vor allem später das Familienleben gleichberechtigt funktionieren soll. Und dann kommt so ein Angebot und du hast eine Woche Zeit, dir zu überlegen, ob du vielleicht all das über den Haufen werfen magst. Wenn er diesen Job annimmt und wir ein Kind kriegen, bin ich am Arsch. Dann hat er seinen Beruf und ich ein Kind."

"Er darf ihn AUF KEINEN FALL annehmen", sagte ich.

Sie nickte. Dann sagte sie: "Aber weißt du, ich glaube, ich würde den Job sofort annehmen. Sofort. Deswegen kann ich ihm jetzt seine Chance auch nicht ausreden. Ginge es um mich, würden wir einen Deal machen: Erst habe ich karrieremäßig Vorfahrt und dann, in ein paar Jahren, eben er. Aber andersherum bin ich in ein paar Jahren die Mutti, die keiner mehr die Leiter hochlässt. Oder jedenfalls habe ich davor Angst. Und vor dem nächsten Schwangerschaftstest jetzt auch plötzlich."

Ich sagte nichts mehr. Die Freundin des besten Freundes auch nicht.

Wir standen noch ein bisschen in der Kälte herum, dann verabschiedeten wir uns und gingen unserer Wege, ich zum Bäcker und sie zurück nach Hause, in ihren kleinen, privaten Debattierclub. Kind oder Karriere? Oder beides für ihn?

Und ich fragte mich, was ich wohl tun würde. Und ob Chefs eigentlich ahnen, was sie ins Rollen bringen, wenn sie Männern diese Zwölf-Stunden-Jobs anbieten. Ob sie dabei manchmal an das Leben da draußen vor ihren Bürofenstern denken.

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7 Kommentare

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  • S
    schnarch

    wie schön wäre es, wenn frauen auch mal andere pläne hätte, als kinderkriegen.

  • S
    Seehaus

    @von Martin W.:

     

    Wenn dem "Traummann" sein "Traumjob", bei welchem er um die Welt jetten kann, wichtiger ist, als die vermeintliche "Traumfrau" und der "Traum von der gemeinsamen Familie", dann sollte die Gattin in spe mal das Träumen einstellen und sich einen Mann mit den richtigen Prioritäten suchen.

     

    Und wenn sie den dann gesucht und gefunden hat kann sie sich ununterbrochen darüber beschweren, daß die richtigen Prioritäten leider nicht genügend Geld für ihre Träume aufs Konto bringen. Da hat sie genügend Gesprächsstoff für die nächsten Jahre.

    Herr laß Hirn ra !

  • A
    and

    mädchen (darunter würde ich die autorin zählen, und sie sich wohl auch: alphamädchen) und frauen, die sich feministisch/reflektiert/kritisch darstellen und immer noch (wir haben inzwischen 2012) in rollen denken, gehen mir auf die nerven. ich schreibe das jetzt einfach mal so. und deshalb: grow up or shut up.

     

    etwas differenzierter:

    "ob chefs eigentlich ahnen .." aha: in chefpositionen sind immer männer?

    und diese überlegung, ob der mann den job annimmt, in dem er ständig um die welt jetten kann, um in NGOs die welt zu retten? aha: ständig fliegen ist gut für die umwelt? und noch ein aha: der zweck heiligt die mittel. die anderen (bösen) dürfen natürlich nicht fliegen. aber wir (die guten) dürfen natürlich viel fliegen.

    und die frau würde im hinblick auf ihn eine karrierephasenverschiebung vorschlagen, aber nicht im hinblick auf sich selbst? aha: frauen /mädchen haben keine chance, werden immer zum opfer gemacht?

     

    ich möchte damit nicht sagen, dass unsere welt nicht patriarchal geprägt ist mit allen entsprechenden nachteilen für frauen. aber nichtsdestotrotz gibt es möglichkeiten. viele möglichkeiten. aber so viele mädchen und frauen sind gefangen in ihrer rolle und warten als prinzessin auf den prinzen, warten immer noch darauf, dass die welt perfekt ist. ihre perfekte prinzessinenwelt. und produzieren dadurch die diskriminierende welt weiter.

     

    bitte liebe autorin und freundin und liebe andere mädchen, hört endlich auf mit dieser mädchen-passiv-opfer-rolle und lebt euer leben. verantwortungsbewusst. werdet endlich zu erwachsenen frauen.

    und: ja, das leben ist nicht perfekt. tut es einfach trotzdem. denn es gibt keine andere welt als die jetzt. bringt selbst durch euer leben das leben das ihr haben möchtet in die welt. dann kann die welt von morgen eine weniger diskriminierende sein.

     

    und werdet bitte auch erwachsen, was die umwelt angeht. auch hier: wir haben 2012. hört auf mit den unreifen egotrips und übernehmt verantwortung für euer handeln.

  • R
    Rizo

    Die Frage sollte doch eher lauten:

     

    "Wissen Menschen, was sie ins Rollen bringen, wenn sie eine Familie gründen?"

  • MW
    Martin W.

    Wenn dem "Traummann" sein "Traumjob", bei welchem er um die Welt jetten kann, wichtiger ist, als die vermeintliche "Traumfrau" und der "Traum von der gemeinsamen Familie", dann sollte die Gattin in spe mal das Träumen einstellen und sich einen Mann mit den richtigen Prioritäten suchen.

  • A
    abby_thur

    "Und ob Chefs eigentlich ahnen, was sie ins Rollen bringen, wenn sie Männern diese Zwölf-Stunden-Jobs anbieten. Ob sie dabei manchmal an das Leben da draußen vor ihren Bürofenstern denken."

     

    Die Antwort: Natürlich nicht.

    Die wenigsten Arbeitgeber machen das. Ein verantwortungsvoller Beruf ist halt auch nicht in 8 Stunden zu machen. Dafür verdienen die dann mehr Geld.

     

    Man muss sich leider (auch und gerade) als Frau entscheiden: Kind oder Karriere. Den Mann ziehen lassen oder ihn an sich binden.

     

    Beides zusammen ist in manchen Branchen nach wie vor nicht möglich.

  • M
    Marieluise

    @Kolumne von Susanne Klingler "Und ich fragte mich, was ich wohl tun würde. Und ob Chefs eigentlich ahnen, was sie ins Rollen bringen, wenn sie Männern diese Zwölf-Stunden-Jobs anbieten. Ob sie dabei manchmal an das Leben da draußen vor ihren Bürofenstern denken".

     

    das ist den Chefs schnurzpiepegal - und das mit Recht. Niemand muß ein Angebot annehmen - daher die Bedenkzeit.