Kolumne Wutbürger: Nicht ohne meine Handtasche
Der öffentliche Raum ist wieder einmal überfüllt – der vielen Rucksackträger wegen. Im Alltag hilft da oft nur noch Notwehr.
M ir geht es wie den Schweizern: Ich fühle mich im Dichtestress. Schuld daran sind nicht die Zuwanderer, sondern die gemeinen Rucksackträger. Auf die treffe ich überall, wo es voll und eng ist. Und je kleiner ihre Smartphones und Tabloids werden, desto größer ihr Gepäck, das sie wie Nomaden durch die Stadt tragen.
Bei Rucksackträgern handelt es sich vorwiegend um lässige, junge oder jung gebliebene Leute, die es mit der körperlichen Unversehrtheit ihrer Mitbürger nicht so eng sehen. Deshalb gibt es für sie auch keinen Grund, das Teil im Gedränge abzunehmen. Im Gegenteil, sie sind jederzeit bereit, mir ihren schweren Rucksack ins Gesicht zu drücken.
Nach meiner Beobachtung haben die wenigsten ein Gefühl für das Gepäck auf ihrem Rücken. Sie drehen und wenden sich, ohne darauf zu achten, ob jemand hinter ihnen steht. Wer Pech hat, bekommt einen Schlag in die Seite. Gut: Wenn die Bahn voll ist, fällt wenigstens niemand um. Doch neben alten Leuten, die nicht schnell genug ausweichen können, gehören Kinder, deren Köpfe sich auf Rucksackhöhe befinden, zur größten Opfergruppe.
Augenfarbe, Haarfarbe, Risiko für Brustkrebs. Was sollten Eltern über ihr ungeborenes Baby erfahren? Wie eine Frau mit dem Wissen um das Schicksal ihres Kindes umgeht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 1./2. März 2014 . Außerdem: Der Nachbar, die Gefahr. Ein Appenzeller Bauerndrama von Erwin Koch. Und: Vier junge Menschen aus allen Teilen der Ukraine erzählen von ihrem Land im Umbruch. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Kürzlich durfte ich beobachten, wie ein junger Mann mit seinem Rucksack gegen ein Kind knallte und lapidar meinte, das Kind müsse einfach besser aufpassen. Aber manche Eltern sind auch nicht besser. Sie fahren mit riesigem Rucksack Rad und schnüren dem hinter ihnen sitzenden Nachwuchs die Luft ab. Ein Vater, den ich darauf aufmerksam machte, versicherte mir ernsthaft, dass der Junge das gewohnt sei.
Auf verbale Seitenhiebe dagegen reagieren die meisten ganz sensibel. Der Letzte, den ich nach einer Attacke fragte, ob es noch rücksichtloser geht, maulte mich an: „Stress hier nicht so rum, mach dich mal locker!“
Das habe ich dann wörtlich genommen und meinen Stress abgebaut, indem ich ihm aus Versehen meine Handtasche in die Nieren rammte. Seit Margret Thatcher heißt das „handbagging“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee