Kolumne Wortklauberei: Das Saudümmste ist der Feind des Saudummen
TV-Report: Bereits erste Schwachsinnsrekorde im noch jungen Jahr verzeichnet.
D as hier ist Wortklauberei - und wem das nicht passt, der soll sich verpissen! Ha! Na? Fühlen Sie sich von dieser frechen Anmache so aufgepeppt, dass Sie sich auf der Stelle diese Kolumne reinpfeifen müssen? Es passiert mir ja nicht oft, dass ich im Fernsehen noch mal Zeuge neuer Spitzenleistungen saudummen Dahergeredes werde, weil ich nur noch wenig hineinschaue. Aber letztens im Vorbeizappen an einem der Radausender staksten da Models und Modefuzzis herum und aus dem Off warb Heidi Klum mit schneidender Stimme: "Das ist Project Runway - und wem das nicht passt, der soll sich verpissen!" Ich war baff. Von welcher pubertierenden Zimtzicke mochte die alte Klum denn diese entwaffnend raffinierte Tagline geborgt haben? Mit der könnte man ja einfach alles bewerben! "Katzen würden Whiskas kaufen - und wem das nicht passt, der soll sich verpissen!"; "Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau - und wem das nicht passt, der soll sich verpissen!"; "Wir haben jetzt die Steuern für die Whirlpoolbesitzer gesenkt und die Atomlaufzeiten bis 2095 verlängert - und wem das nicht passt, der soll sich verpissen!" Wunderbar. Und so fresh!
Das war aber tatsächlich nicht das Allersaudümmste, das ich im jungen Jahr schon im TV hören durfte. Am Sonntag ging es bei Anne Will um den "Dioxin-Skandal". Und da wurde eine Julia Klöckner zugeschaltet, Journalistin, Theologin und Ex-Weinkönigin, wobei es wohl vorrangig Letzteres ist, das sie als Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz qualifiziert. Klöckner schien von ihrer Ministerin gesandt, ein paar Nebelkerzen zu zünden, aber vor den Augen der TV-Nation auch angemessen Problembewusstsein zu markieren. Und so verstieg sie sich im Zuge ihrer Ausführungen zu der im Brustton des auf der Höhe der verfügbaren Fakten agierenden Verantwortlichen geäußerten Feststellung: "Dioxin, das wissen wir, ist krebserregend, das hat in Nahrungsmitteln nichts zu suchen." Bah. Während man noch ungläubig glotzte - hat die das gerade wirklich gesagt? -, schob sie nach: "Noch mal: Dioxin ist kein Stoff, den man zu sich nehmen sollte ohne Bedenken."
Nun gehört es zum Handwerk von "Politprofis", das Offensichtliche immer mal wieder neu daherzuquatschen, als sei es die brandheiße Erkenntnis der Stunde. Aber wenn ich jetzt seit zwei Wochen täglich Neues darüber lese, dass etwa die Suppenhühner, die ich seit Monaten für meine unser Baby stillende Freundin koche, mit Krebsgift gefüttert wurden, dann will ich… Ich weiß gar nicht, was ich dann hören will. Nur ganz sicher keinen derart gequirlten Dünnpfiff von einem jede Intelligenz beleidigenden Schwachsinn. Man möchte meinen, dass es für eine leitende Person im Verbraucherschutzministerium ein Kündigungsgrund sein könnte, in einer solchen Situation so etwas Kreuzbehämmertes zu sagen - aber es ist wohl anders herum: Wer so einen Satz von sich geben kann, ohne zu zucken, dem steht wahrscheinlich eine große politische Zukunft bevor, etwa als Ministerpräsidentin in Mainz. Und wem das nicht passt, der soll sich verpissen.
Josef Winkler lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.
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