Kolumne Wortklauberei: Hängt sie höher!
Der deutsche Wald als Leistungsträger. Oder: zynisch Kranke auf freiem Fuß! Was ist mit der öffentlichen Sicherheit?
Wer so viel kann, wer so viele Talente hat, dem sollten wir Förderung und Unterstützung zukommen lassen." Es gibt Geschwätz, das ist so dünnflüssig bescheuert, dass man sich selbst direkt ein Stück blöder fühlt, wenn man es wirken lässt.
Den Satz da oben etwa hat vor ein paar Tagen Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner gesagt, und zwar nicht über irgendeinen Eliteschüler, sondern über den deutschen Wald. Offenbar davon ausgehend, dass ihrer Klientel so etwas wie Demut vor der - nehmen wir mal dieses große Wort - Schöpfung ebenso fremd ist wie ihr und ihren donauausbauenden, gentechnikpropagierenden und atomkraftverherrlichenden CSU-Spezln, hat sie ihr Lob zur Eröffnung des "Jahres der Wälder" runtergebrochen auf zeitgemäßes Leistungs- und Wirtschaftlichkeitsdenken. Damit es sich marktökonomisch verargumentieren lässt, den ganzen Kack nicht einfach abzuholzen.
Nein, wie man erfährt, sichert der deutsche Wald ja sogar 1,2 Millionen Arbeitsplätze! Und da müsste doch wirklich ein schlechter Mensch sein, wer ihm da noch sauren Regen und Rodung an den Hals wünschte. Man sieht ihn förmlich erröten ob so viel Anerkennung, den braven deutschen Wald. "Frau Ministerin, Ihr Lob soll mir Ansporn sein, in Zukunft noch überzeugender zu performen!" Na, es geht doch. Und der deutsche Wald ist sogar wieder gewachsen - das "Waldsterben!"-Geblöke der grünen Spinner war also, eben: reine Panikmache.
JOSEF WINKLER lebt und arbeitet, was sein Nervenkostüm und Zeitbudget nicht unerheblich in Anspruch nimmt, in München und Palling. Hobbies: Zeichnen, Tiere, Musik, Nichtschwimmen.
Man erinnert sich an das Titanic-Poster: "Endlich handelt die Bundesregierung - ,Waldsterben verboten'". Und? Hats nicht geholfen? Auch jetzt packt die Regierung an und lässt jetzt mal so richtig mit Hochdruck prüfen, ob das überhaupt ethisch vertretbar ist, es ein paar zynisch kranken Multimillionären und ihren Aktienunternehmen zuzugestehen, Anlagen zu betreiben, die zwar wunderbar profitabel für die Multimillionäre laufen, aber - das muss man doch auch mal bedenken! - im Schadensfall ganze Länder auf Jahrtausende unbewohnbar machen und die Zivilisation in Mitteleuropa in den Abgrund stürzen würden.
Ist es das wert? Das muss sich diese Gesellschaft fragen: Ist uns als Gesellschaft das Bankkonto von Jürgen Großmann dieses Risiko wert? Ich bin ja schon so gespannt auf das Ergebnis der Beratungen - schon allein, weil hier gerade ein Baby neben mir herumrollt, das ich doch ungern verstrahlt sähe.
Hach. Man erträgt das alles eigentlich nur noch, wenn man selber zynisch krank wird. Und jetzt ist erst mal Moratorium. Mein Lieblingssatz in diesem Zusammenhang - dass es ein Versprecher war, wage ich gar nicht zu hoffen, ich unterstelle vielmehr schiere emotionale Inkompetenz und blanke Verachtung für die, die er da für dumm verkauft - kam von einem Funktionär von EnBW, der am Tag der Verkündigung in eine TV-Kamera sagte, in drei Monaten werde "dann das Spiel neu gespielt". Einen CSU-Mann hörte man gestern sagen, die Sicherheit der Kernkraft müsse "höher gehängt werden". Man hätte ja gehofft, die hinge schon so hoch wie nur möglich. Zumindest hieß es das doch immer? Aber dann mal los: Hängt sie höher! Am besten jetzt gleich.
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