Kolumne Vom Überleben in der Krise: Legt die Steueroasen trocken!

Steueroasen wie die Schweiz bieten potenziellen Steuerbetrügern zu viel Schutz und Anonymität. Das muss sich ändern.

Legt die Steueroasen trocken! Bild: ap

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier trauert dem schönen Geld hinterher: „Wer heute ablehnt, verzichtet auf 10 Milliarden Euro, die wir sehr gut für unser Land brauchen könnten. Das ist Ideologie, aber nicht vernünftig.“

Mindestens 10 Milliarden Euro sollte das Steuerabkommen mit der Schweiz den öffentlichen Kassen in Deutschland einmalig bringen, wenn bislang schwarze Anlagevermögen nachversteuert würden. Anschließend sollten Schweizer Banker den Job deutscher FinanzbeamtInnen übernehmen: regelmäßig Steuern auf Kapitaleinkünfte von Bundesbürgern zu erheben.

Hat Bouffier Recht? Kann man es sich in Zeiten der Eurokrise leisten, auf Einnahmen zu verzichten? Die Griechen verhandeln momentan mit der Schweiz ebenfalls ein Abkommen. 40 bis 45 Milliarden Euro, schätzen griechische Steuerfahnder, haben reiche Griechen dem Zugriff der Finanzämter entzogen. Dass der Bundesrat das deutsch-schweizerische Abkommen hat platzen lassen, wirft auch sie zurück. Athen bräuchte das Geld dringend.

Das Problem ist, dass Befürworter wie Bouffier oder Finanzminister Wolfgang Schäuble uns offenbar weismachen wollen, ein solches Abkommen würde Schwarzgeld ans Licht bringen, Steuerbetrüger unter Druck setzen und griechische Reeder in ehrliche Steuerzahler verwandeln – ein Abkommen, das Betrug nachträglich für Peanuts legalisiert und Steuerflüchtlingen weiterhin Anonymität garantiert!

Sabine Rainer, Jahrgang 1962, ist promovierte Politikwissenschaftlerin und Volkswirtin. Sie leitet den Bereich Witschaftspolitik beim Bundesvorstand der Gewerkschaft Ver.di. 2004 war sie Gründungsmitglied der Zeitschrift Intervention. Europäische Zeitschrift für Ökonomie und Wirtschaftspolitik.

An dieser Stelle wechseln sich wöchentlich unter anderem ab: Rudolf Hickel, Gesine Schwan, Jens Berger und Ulrike Herrmann.

Nur zwei statt zehn Millionen

Als „staatlich organisierte Geldwäsche“ hat ein Vertreter des Bundes Deutscher Kriminalbeamter das Abkommen bezeichnet. Besonders pikant: Mit ihm hätte sich Deutschland verpflichtet, keine weiteren Steuer-CDs mehr zu kaufen und auszuwerten. Für Bouffier kein Problem: Er argumentiert, damit habe man sich vom Datenklau abhängig gemacht.

Bei genauerem Hinsehen sieht die Rechnung anders aus: Die Bundesregierung musste einräumen, als sichere Einnahme stünden nicht etwa 10 Milliarden Euro, sondern nur 2 Milliarden Franken fest, also etwa 1,7 Milliarden Euro. Mehr wollte die Schweiz als Vorabzahlung nicht garantieren. Laufende Einnahmen aus der regelmäßigen Besteuerung kalkuliert der Bundesfinanzminister mit gerade mal 100 Millionen Euro jährlich.

Das Finanzministerium in Nordrhein-Westfalen hat vorgerechnet, dass der NRW-Anteil aus der Vorabzahlung 300 Millionen und aus den jährlichen Einnahmen 12 Millionen Euro beträgt. Demgegenüber bringe die Auswertung von Steuer-CDs dem Land derzeit Einnahmen von 570 Millionen Euro. Gegen das Abkommen zu stimmen, ist keine Ideologie, sondern wohl kalkuliert – besser könnte es keine schwäbische Hausfrau.

Aber schlimmer noch als das schlechte Geschäft für die öffentlichen Etats ist, dass das derzeitige Steuerabkommen bessere Alternativen blockiert – und sogar hintertreibt. Seit 2004 tauschen immerhin zwölf EU-Länder im Rahmen der Zinssteuervereinbarung automatisch Informationen über Zinseinkünfte ihrer Bürger aus. Immerhin ein Anfang.

Anonyme Steueroasen

Die Zeit für die Ausweitung des automatischen Informationsaustauschs ist günstig. Denn Steuerbetrüger haben derzeit weit weniger Kavalierskredit als vor der Finanzmarktkrise. Schließlich hat es sich herumgesprochen, dass die öffentlichen Kassen in Europa 10 Billionen Euro Schulden haben, während sich die privaten Vermögen auf 27 Billionen Euro summieren.

Und dass sich solche private Vermögen ab einer bestimmten Größe gerne in der Anonymität von Steueroasen verstecken. Sogar innerhalb der EU konnten sich steuerliche Fluchtburgen wie Luxemburg und Österreich dem Informationsaustausch bisher mit Hinweis auf die deutsch-schweizerische Anonymitätsgarantie verweigern.

Wie will man da glaubwürdig den nötigen Druck auf exotischere Steueroasen aufbauen? Ziel muss sein, Licht auch in den letzten steuerlichen Fluchtwinkel zu bringen. Potenzielle Steuerbetrüger dürfen am Ende einfach keine Anonymität mehr finden, wo sie freundlich hofiert ihr Vermögen verstecken können.

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