Kolumne Unter Leuten: Star des Champeta
Der Musiker Charles King kommt aus Palenque. Ähnlich wie der Hip-Hop in den USA ist Champeta in Kolumbien nicht nur ein Musikstil.
S chwülheiße Luft schlägt mir ins Gesicht, als ich mein klimatisiertes Hotel in Cartagena verlasse. Es ist früher Abend. Ich gehe durch die Straßen der kolumbianischen Karibikstadt und komme mir vor wie in einem stickigen Museum. Vornehme Kolonialvillen mit bepflanzten Vorgärten und weihnachtlich geschmückte Gassen überall. Ich brauche schnellstens einen Drink. Und zwar einen eiskalten.
Hinter der Altstadtmauer nehme ich die Straße nach Getsemani. Das einst zwielichtige Armenviertel ist heute ein lebendiges Quartier mit kleinen Restaurants, Handwerksbetrieben und Nachtclubs. Viele Anwohner sind Afrokolumbianer, und in den Clubs wird ihre Musik gespielt: der Champeta.
Champeta ist ein schneller Mix aus Salsa, Jibaro und Reggae, der in den Vororten von Cartagena entstanden ist. Die besten Konzerte gibt es im Bazurto Social Club, im Norden von Getsemani. Nach einer Viertelstunde Fußmarsch bin ich dort. Auf den ersten Blick erinnert der Laden an einen Schnellimbiss. Vor der Bühne, auf der neben dem Sänger kaum noch Platz für Schlagzeug und Keyboard ist, drängen sich die Gäste um weiße Plastiktische. Bunte Wimpel und Ventilatoren hängen von der Decke.
Dass es so voll ist, liegt an Charles King. Er gilt als einer der Stars des Champeta. Heute Abend tritt er auf. Ich treffe den 50-Jährigen mit den hüftlangen Rastazöpfen an der Bar. „In dem Dorf Palenque, in dem ich aufgewachsen bin, gibt es keine Fernseher – in vielen Häusern noch nicht einmal elektrisches Licht“, sagt er, während wir zwei Caipirinha bestellen. „Um dir die Zeit zu vertreiben, bleibt dir als Kind gar nichts anderes übrig, als Musik zu machen.“
Charles King, Musiker
Der Champeta bewahrt, was von Kultur afrikanischer Sklaven in Kolumbien übrig geblieben ist, erklärt Charles King. Bis in die 20er Jahre reichen die Wurzeln. Ähnlich wie der Hip-Hop in den USA ist Champeta nicht nur ein Musikstil. Er ist eine politische Bewegung. „In meinen Songs geht es um den Rassismus, den wir Schwarze in Kolumbien erleben, jeden Tag“, sagt Charles King. „Unsere Dörfer verfallen, es gibt kein Geld für Schulen, viele von uns leben in großer Armut – und die Politiker interessiert das nicht.“
Wegen seiner Texte wurde Charles King schon einmal von einem Festival ausgeladen. Über die Landesgrenzen hinweg steigt aber das Interesse für seine Musik. Bis nach New York haben ihn seine Songs für einen Auftritt bereits gebracht. So konnte er der Welt wenigstens ein Stück von dem Kolumbien zeigen, wie er es kennt, sagt Charles King, bevor er auf die schmale Bühne steigt. Er nimmt das Mikrofon in die Hand, der Keyboarder greift in die Tasten. Es ist der Beginn einer langen Nacht im Bazurto Social Club.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml