piwik no script img

Kolumne Unter LeutenIn Inari, Lappland

Joik ist ein alter Gesang der Samen. Sara kann den gurgeldnen Kehlkopfgesang und verkürzt damit die nachtlose Nacht.

Die Musikerin Sara Marielle Gaup Foto: Philipp Eins

In Lappland braucht man im Sommer kein Bier, um besoffen zu sein. Allein das Licht in Inari, einem finnischen Kaff etwa 250 Kilometer nördlich des Polarkreises, macht einen betrunken. Mittags wie abends steht die Sonne tief am Horizont. Die karge Landschaft, die intensiven Farben – nach ein paar Tagen fühlt es sich an wie in Trance. Mit meinem Kollegen Martin fahre ich über die Hauptstraße von Inari, die wie ein Feldweg zum Ende der Welt aussieht, bis zum Parkplatz des Kulturzentrums.

Vor einer Bühne am Eingang stehen einige hundert Menschen. Sie lauschen dem Gesang einer Band, in einer fremden Sprache. Es ist die Sprache der Samen, der indigenen Einwohner Lapplands. Jeden Sommer kommen sie in Inari zusammen, um ihre Kultur zu feiern. Íjahis Ídja nennen sie ihr Fest: nachtlose Nacht.

„Is schwer wat los“, sagt Martin im Ruhrpottslang. Wir öffnen ein Dosenbier und stellen uns dazu. Nun auf der Bühne: Sängerin Sara Marielle Gaup mit dem Bassisten Steinar Rak­nes. Die beiden spielen eine Mischung aus rauchigem Blues und gurgelndem Kehlkopfgesang. Der hat einen eigenen Namen: Joik.

„Ein Joik ist ein alter Gesang der Samen“, erzählt uns Sara nach dem Konzert. „Es ist unsere Art, Gefühle auszudrücken – ganz ohne Worte.“ Sara trägt eine blaue, mit Mustern bestickte Tracht, der pechschwarze Pony fällt ihr tief in die Stirn. Noch bevor sie sprechen konnte, hat sie vom Vater das Joiken gelernt, sagt die 33-Jährige. Menschen, aber auch Tiere und Landschaften lassen sich damit genau beschreiben.

Wie die samische Sprache war auch der Joik nach der Christianisierung Lapplands Tabu. Bis in die 80er Jahre durfte in Schulen und Kirchen nicht gejoikt werden. Erst mit dem Engagement der Sängerin Mari Boine gewannen die Samen an Mut zurück.

Das Festival Íjahis Ídja endet tatsächlich in einer nachtlosen Nacht: Bis in den frühen Morgen wird in der Dorfkneipe gesungen, getanzt, getrunken. Schlafen? Dafür ist es draußen einfach zu hell.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!