Kolumne Unter Leuten: Die Jodler aus dem Alpenland
Nashville, die Country-Stadt: Was ist dran an dem Gerücht, dass eine Schweizer Jodlergruppe als Vorbild für Blue Yodeling diente?
A ls ich in Nashville ankomme, habe ich das Gefühl, ich sei in ein früheres Kapitel der Musikgeschichte geraten. In den karminroten Klinkerbauten am Broadway reihen sich Saloons dicht an dicht. Von überall her dringt Musik durch Schwingtüren und geöffnete Fenster. Bands spielen Country, Western und Blues.
Wer es im US-amerikanischen Musikbusiness schaffen will, muss nach Nashville, Tennessee, wo die Major-Labels sitzen. Und wer nur zuhören mag, ist auch richtig. Schon mittags ist die Stimmung in den Bars so bierselig, dass massenhaft Jacky-Cola über die Theke geht.
Am Abend besuche ich die „Grand Ole Opry“, die älteste Radioshow der USA. Johnny Cash, Willie Nelson, sogar Elvis Presley traten hier schon auf. Die Vorstellung ist ausverkauft, die Stimmung unter den 4.000 Country-Fans am Kochen – wegen einer vierköpfigen Country-Jodelband. Als die vier Musiker der Riders in the Sky mit ihren weißen Cowboyhüten die samtrot illuminierte Bühne betreten, braust Applaus auf. Metallene Gitarrenakkorde, schrille Jodler, Jubel im Publikum. Woher kommt nur dieser schräge Stil?
Nach der Show treffe ich Ranger Doug, den Chefjodler der Band. Mit den weißen Haaren unter der breiten Hutkrempe erinnert er an John Ross Ewing aus der Trashserie „Dallas“. Der Stil heißt Blue Yodeling, erklärt er. Zum ersten Mal hörte er davon im Radio, als er vier Jahre alt war. Als Vater des Blue Yodeling gilt die Country-Legende Jimmie Rodgers. Er machte den Stil in den 30ern groß.
Wie Rodgers aufs Jodeln gekommen ist, will ich wissen. Ranger Doug beugt sich zu mir, als verrate er ein Geheimnis. Eine Schweizer Jodelgruppe habe Rodgers darauf gebracht, als sie durch die USA tourte. Das sagen die einen. Andere behaupten, Minstrels, schwarz geschminkte Varietésänger, hätten schon im 19. Jahrhundert gejodelt, angeregt von Volksmusikern aus Tirol.
Was stimmt, wisse niemand, sagt Ranger Doug zum Abschied. Für ihn sind beide Theorien wahr. Und überhaupt – wen interessiert das schon? Die Musik lebt. Nur das zählt.
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