piwik no script img

Kolumne Über Ball und die WeltLeerstand statt Wohlstand

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

Weil die Landwirtschaftsministerin Südafrikas im Sommer 2010 während der Fußball-WM in einem Hotel lebte, gibt es nun Ärger. Es ist der Fluch der Fifa.

M it Fußball im engeren Sinne hat Tina Joemat-Pettersson nicht viel zu tun: Sie ist die Landwirtschaftsministerin Südafrikas. Das aber war sie schon im Sommer 2010, als dort die Weltmeisterschaft stattfand. Und die erlebte sie sogar vor Ort: vier Wochen lang in einem Hotel in Johannesburg.

Darum gibts nun Ärger. Denn die Hotelzimmer, die die Frau Ministerin zusammen mit zwei Bodyguards belegte, kosteten umgerechnet 13.000 Euro die Nacht, fast 400.000 Euro über den gesamten Zeitraum. Verschwendung von Steuergeldern lautet der Vorwurf der Opposition gegen Frau Joemat-Pettersson, nebenbei Vorsitzende der Kommunistischen Partei in der Nordkap-Provinz.

"Die Sache hat sehr viel mit der WM zu tun", erklärt nun ein Ministeriumssprecher. In jenem Sommer seien Mieten und Hotelpreise enorm angestiegen. Außerdem sei die Buchung bei einem ausländischen Unternehmen erfolgt, das vom Weltfußballverband Fifa akkreditiert war. Was man also ganz nebenbei erfährt, ist, wer im Sommer 2010 das Land wirklich regiert hat.

Bild: privat
Martin Krauss

ist Autor der taz.

Wenn eine südafrikanische Ministerin in einer südafrikanischen Stadt während der WM absteigen wollte, musste sie das über eine von der Fifa akkreditierte Firma abwickeln und selbstverständlich die Preise zahlen, die dieser von dort vorgegeben wurden. Schließlich heißt das Spektakel ja schon lange nicht mehr Weltmeisterschaft sondern "Fifa-Fußball-WM", registered Trademark.

Mittlerweile hat sich der Fluch der Fifa aus Afrika weitgehend verzogen. Die Nachwirkungen in Gestalt von teuren Luxusappartments, wo früher Townships standen, sind noch zu besichtigen. Wenn nun der Ministeriumssprecher erklärt, dass "der Betrag, den wir letztes Jahr bezahlt haben, heute nicht mehr annähernd so hoch ist", sagt er damit nur, dass die WM nicht Wohlstand und Prosperität hinterlassen hat, sondern jede Menge Leerstand.

Tina Joemat-Pettersson jedenfalls, die bislang im Ruf stand, mit ihrer Agrarpolitik die Rechte der Kleinbauern und Landarbeiter so weit zu berücksichtigen, wie es die Ministerin eines abhängigen Landes kann, wehrt sich: "Jetzt gelte ich auf einmal als extravagante Ministerin, die mir nichts, dir nichts für ihren Luxus das Geld der Steuerzahler hinauswirft und keine Rücksicht auf die Millionen Südafrikaner nimmt, die in bitterer Armut leben."

Sie kann toben, so viel sie will - sie hat keine Chance. Immer wenn die Fifa mit ihrem Präsidenten Joseph Sepp Blatter Einzug hält, hat die je gewählte Regierung ihre Rechte abzugeben: In Straßenverkehr und Luftraum hat die Fifa Vorrecht, über die Infrastruktur in Form von Stadien, Flughäfen, Bahnhöfen und großen Straßen verfügt sie. Rechte von Firmen, die nicht zum Fifa-Sponsorenpool gehören, dürfen von der jeweiligen Regierung nicht mehr geschützt werden.

Als die WM 2006 in Deutschland stattfand, musste das Berliner Luxushotel Adlon die Präsidentensuite mit ihren elf Räumen, der Bibliothek, der Sauna und der Lounge vergrößern lassen. Was US-Präsident George W. Bush im Jahr zuvor noch genügte, war Fifa-Präsident Joseph Sepp Blatter nicht mehr gut genug. In Anbetracht solcher Bedürfnisse fehlt im Gemecker um Frau Joemat-Petterssons Hotelrechnung nur noch dies: dass jemand erklärt, wie gemein es doch von ihr sei, potenziellen ausländischen Investoren in diesem für Südafrikas Selbstdarstellung so wichtigen Sommer 2010 eine attraktive Hotelsuite schlicht vorenthalten zu haben.

Die Fifa-Karawane zieht nun weiter nach Brasilien, wo sich die dortigen Regierungsmitglieder schon mal überlegen können, ob sie lieber in den Behausungen absteigen, die von der Fifa akkreditierte Firmen ihnen freundlich überlassen oder ob sie stattdessen lieber für die Dauer von vier Wochen das Regieren einstellen. Sie brauchen keine Angst haben: Zum Beruhigen der aufgebrachten Leute, die ihre Mieten nicht mehr bezahlen können, werden sie im Anschluss wieder gebraucht.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!