piwik no script img

Kolumne Sport in der wiederbelebten DDRBourgeoise Auswüchse

Golf in der DDR. Das ist eine der Überraschungen in Simon Urbans Roman, der im Oktober 2011 spielt, 20 Jahre nach Wiederaufbau der Mauer.

G enosse Achtung spielt ganz gerne mal Golf! Dafür hat er sich einen Buggy bauen lassen. Bestens gepolstert lässt sich der Staats- und Parteichef in diesem umgebauten Trabant von Abschlag zu Abschlag fahren. Golf in der DDR. Das ist eine der sportlichen Überraschungen in Simon Urbans Roman "Plan D", der soeben bei Schöffling erschienen ist. Das Buch spielt im Oktober 2011 - gut 20 Jahre nach Wiederaufbau der Mauer und der "Wiederbelebung" der DDR.

In der Krimiklamotte um den rätselhaften Tod eines Mannes, der an einer Gaspipeline aufgeknüpft gefunden wird, just bevor Bundeskanzler Oskar Lafontaine mit Egon Krenz (genannt Genosse Achtung) über die Durchleitungsgebühren für Sowjetgas verhandeln, ist die DDR ein mieser Schurkenstaat, über den sich bestens witzeln lässt.

Große Witzfiguren sind natürlich die Bonzen, die sich im lächerlichen Trabi-Buggy (witzig, witzig) zum so gar nicht sozialistischen Bälleeinlochen (schlimm, schlimm) kutschieren lassen.

Bild: taz
ANDREAS RÜTTENAUER

ist Redakteur im Sportressort der taz.

In der untergegangenen, der real existierend habenden DDR, waren die Bonzen nicht so dreist wie in Urbans Roman. Hinter den Mauern ihrer Wohnsiedlung in Wandlitz bei Berlin wurde nicht Golf gespielt. Als der Devisenbeschaffer der DDR, Alexander Schalck-Golodkowski, einmal anregte, einen Golfplatz in der DDR anzulegen (Warum eigentlich? Wollte er mit Franz Josef Strauß Golf spielen, während er über Schweine für Westmillionen verhandelte?), soll Erich Honecker gesagt haben: "Lassen Sie mich mit diesem bourgeoisen Blödsinn in Ruhe."

Nein, in der wahren DDR wurde nicht Golf gespielt. Zumindest nicht offiziell. Ein paar Freunde des Golfsports gab es indes auch im Mauerstaat.

Im tschechischen Marienbad gab es einen Golfplatz, den auch Bürgerinnen und Bürger der DDR in ihrem Urlaub nutzen konnten. Ein paar von denen wollten sich zu einer "allgemeinen Sportgruppe" zusammenschließen. Als ihnen dies endlich unter dem Dach der Betriebssportgemeinschaft Robotron in Dresden gelang, lag ihr Staat längst im Sterben. Das Gründungsdatum der Golfabteilung: 29. Oktober 1989.

Auch wenn die Bonzen putten, der Sport spielt in Urbans DDR keine allzu große Rolle. Ganz ohne Fußball kommt er allerdings auch nicht aus und so verschafft der Autor dem gelernten DDRler Michael Ballack einen Auftritt in der deutschen Belletristik.

Ungeklärt bleibt indes, warum Ballack die Zeit, als die Grenzen zwischen den beiden deutschen Staaten offen waren, was in "Plan D" zu einem Bevölkerungsrückgang auf 14 Millionen Einwohner führte, nicht genutzt hat, um sich im Westen einen lukrativen Vertrag zu angeln. Der gebürtige Görlitzer kickt tatsächlich im wiederbelebten Arbeiter-und-Bauern-Staat. Und da ist der fiktive DDR-Ballack genauso schlecht gelaunt wie der reale in diesen Tagen, in denen er bei Bayer Leverkusen nicht selten die Ehre hat, auf der Bank Platz nehmen zu dürfen.

Hackbraten essend sieht die Hauptfigur in Urbans Krimi, Hauptkommissar Martin Wegener, wie Ballack im Trainingslager auf der Ostseeinsel Hiddensee (seit wann wird da eigentlich Fußball gespielt?), angeleitet von Trainer Matthias Sammer, Hütchen auf dem Platz postiert.

Dem Hauptmann fällt auf, wie schlecht die Zähne von Sammer sind, und schon ist den Leserinnen und Lesern wieder klar, wie schlimm sie ist, die DDR.

Und wer weiß, dass Matthias Sammer im wahren, nichtsozialistischen Leben nicht nur Geld als Sportdirektor des DFB verdient, sondern auch als Grinseonkel mit perfekt sitzenden, blütenweißen Beißern für eine Zahnspangenfirma namens Align Technology (Werbeslogan: "Der richtige Biss"), der wird Urbans wiederbelebte und doch bröselnde DDR noch mehr für einen Schurkenstaat halten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!