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Kolumne Sport-SchauInnige Umarmung

Kolumne
von Bastian Rudde

Eine Ausstellung in Paderborn zeigt, wie viel die Computertechnologie zu den Leistungen im Spitzensport beitragen kann.

N ach fünf Minuten zeigt das Display des Crosstrainers einen Puls von 125 Schlägen an. Zeit also, mit etwas wackeligen Beinen vom Gerät zu steigen, um anschließend das Biathlon-Gewehr in Anschlag zu nehmen. Fünfmal laden, fünfmal zielen, fünfmal abdrücken. Je länger das dauert, desto unruhiger liegt die viereinhalb Kilogramm schwere Waffe auf Arm und Schulter. Und bei dem zusehends verkrampften Versuch, die 4,5 Zentimeter kleine Zielscheibe im Visier zu behalten, zwickt schließlich auch noch der Nacken.

Glücklicherweise wird im Heinz-Nixdorf-Museumsforum zu Paderborn nicht mit echten Kugeln gefeuert, sondern lediglich mit einem Laserstrahl. Denn die ernüchternde Bilanz lautet: Von fünf Schüssen traf kein einziger. Und das, obwohl hier lediglich fünf Meter zwischen Ziel und Schütze liegen. Beim echten Biathlon ist die Distanz zehnmal so groß. Zudem fällt in der eintausend Quadratmeter großen Museumshalle kein Schnee, es weht kein eisiger Wind, und die Kulisse besteht lediglich aus ein paar Schadenfrohen, die sich über das misslungene Selbstexperiment am Biathlonsimulator amüsieren - bis sie selber dran sind.

Der Biathlonsimulator ist eine von 26 interaktiven Stationen der Sonderausstellung "Computer.Sport". Es geht um das vielschichtige Verhältnis von Computertechnologie und Leistungssport heutzutage. Der Biathlon- sowie ein Golfsimulator, an dem Abschlag und Putt vor einer riesigen Leinwand unabhängig von Wetter und Tageszeit trainiert werden können, machen unter dem Titel "Virtuelle Sportwelten" dabei nur einen Teil der Ausstellung aus.

"Leistung durch Training", "Die Macht des Materials" und "Multimediale Sportwelten" heißen die anderen drei Bereiche, die allein durch ihre Bezeichnungen erahnen lassen, dass die Umarmung zwischen Sport und Computer zukünftig noch inniger werden wird. "Beides steht erst am Anfang einer gemeinsamen Entwicklung", meint Kurt Beiersdörfer, Geschäftsführer des Museumsforums. "Die bisherige Entwicklung zeigen wir ebenso, wie das, was noch möglich werden könnte."

Wem fünf Minuten Biathlon oder Golf also zu gegenwärtig oder einfach nur zu anstrengend sind, der muss beispielsweise nur den Touchscreen bedienen, auf dem das Champions-League-Finale von 2006 läuft. Ein Klick auf Barcelonas Rückennummer 10 reicht und das Programm namens AmiscoPro, das Fußballspiele und dessen Akteure in etliche Datensätze zerlegt, zeigt an, wann Ronaldinho gegen Arsenal seinerzeit wie schnell wohin gelaufen ist. Bisher ist die Analyse-Software, die Trainern bei der taktischen Spielauswertung helfen soll, zwar noch nicht einmal in jedem Bundesligastadion installiert. Wer weiß, ob die gleichen Daten nicht schon bald von einem Rechner in Echtzeit ausgewertet und bereits in der Halbzeit von Sportmoderatoren und deren Experten zerrupft werden? Und was wäre, wenn die physiologischen Messwerte der Nummer 10 gleich mit dabeiwären? Gesendet per Funk von mit Elektroden versehener, sogenannter intelligenter Sportunterwäsche, die tatsächlich längst auf dem Markt ist.

Wäre das gut oder schlecht für den Sport? In welcher Form kommen solche Erfindungen bei Breitensportlern an? Dies sind Fragen, deren Klärung die am 5. Juli endende "Computer.Sport" zu einer kompletten Ausstellung gemacht hätten. Doch in dem Rundgang, der etwa eine Stunde dauert und höchstens fünf Euro Eintritt kostet, wird dies leider ausgeblendet.

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2 Kommentare

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  • N
    Nora

    „Innige Umarmung“ von Sport und Computer an sich passt für mich rein von der Begrifflichkeit schon nicht wirklich zusammen. Um die Vorteile und den Nutzen von der immer inniger werdenden Beziehung von beiden nachvollziehen zu können, hätten mich vor allem die Antworten auf die Fragen des letzten Absatzes interessiert. Schade doch wirklich, dass eine Ausstellung die eben dieses Thema behandelt, die interessantesten Antworten nicht liefern kann. Vielleicht kann es eine Anregung sein, die Meinungen von Breitensportlern zu diesem Thema direkt einzufangen?

  • A
    anke

    Nachdem in den vergangenen Jahrzehnten das Medikamenten-Doping all-überall thematisiert wurde, wird man wohl in der Zukunft eher fragen müssen, wann genau ein Sportler zum Cyborg wird. Wenn er mit zwei Beinprothesen schneller ist, als andere mit Beinen aus Knochen, Sehnen, Muskeln und Haut? Wenn er seinen Rhythmus mit Hilfe eines implantierten Taktgebers findet? Oder bereits dann, wenn nicht mehr sein eigenes Gehirn sondern eine aufgeklebte Elektrode den Herzschlag des Athleten kontrolliert?

     

    Es gibt Begriffe, über die müsste man dringend nachdenken als Mensch. Erfolg ist so ein Begriff, Leistung ein anderer. Sport ein dritter. Leider haben etliche unter uns Menschen die Angewohnheit zu handeln, ehe sie noch nachgedacht haben. Diese Menschen sind oft sehr viel schneller als andere. Zur Belohnung dürfen sich die aller Schnellsten der Schnellen nachher für eine gewisse Zeit "die Erfolgreichen" oder auch "die Leistungsträger" nennen, ohne mit Widerspruch rechnen zu müssen. Dieser Moment scheint das zu sein, wofür es sich zu leben lohnt. Auch und gerade im Sport.

     

    Nicht denken, Darling, fühlen musst du - sprach der Trainer und setzte sich vor den Bildschirm. Gott hatte schließlich nur einen einzigen Tag. Es ist viel Nacharbeit nötig...