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Kolumne SpäterIn der Bauchpresse für Daimler

Ergibt es Sinn für die Mittfünfzigerin, wieder ins Fitnessstudio zu gehen? Ich tu' mal so als ob.

Wie Arbeit an der Werkbank: Seniorenfitness Bild: dpa

S port für die Mittfünfzigerin! Muss ja angeblich sein, wegen Rückenschmerzen, Gewicht & guter Laune. Neulich war ich bei „Jopp“ in Kreuzberg. Gerätetefitness. Wie in alten Zeiten. Aber das ist auch schon das Problem. Denn die alten Zeiten, genauer gesagt die jungen Zeiten, liegen eine Weile zurück.

Mir fällt es sofort auf, als ich bei „Jopp“ im Cardioraum durch die Laufbänder steuere, nachdem ich eine Tageskarte gelöst habe: Eigentlich fühle ich mich ein bisschen zu alt für den Kram. Gerätefitness. Abnehmen. Body-Shaping. Um mich herum fast nur jüngere Frauen, einige haben knappe T-Shirts an, bauchfrei. Ich gehöre klar zur Nicht-mehr-bauchfrei-Altersgruppe.

Nur eine Endfünfzigerin trabt über ein Laufband. Sie wirft mir einen verschwörerischen Blick zu. Ich grinse zurück. Neuerdings finde ich es immer toll, wenn ich entspannten älteren Frauen begegne. Am besten, sie haben graue Haare und sehen so aus, als planten sie gerade eine Fernreise.

Barbara Dribbusch

Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Gesellschaftspolitik in der taz. Zuletzt erschien von Ihr das Buch: "Älterwerden ist viel schöner, als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten" (Mosaik)

Das ist schon anders als vor 25 Jahren, als ich bei „Tropical Fitness“ in Berlin-Charlottenburg den Oberkörper auf der Bauchbank hoch und runter klappte und noch dran glaubte, dass man mit Sit-ups, Hantelstemmen und Adduktorendrücker den eigenen Körper modellieren könne wie eine Bildhauerin.

Führt das Diätprodukt zum Mann?

In der Umkleidekabine diskutierten die Frühdreißigerinnen damals über Diätprodukte und Männer, was ich auch heute noch für eine ungeklärte Verbindung halte, denn führt der Mann zum Diätprodukt oder umgekehrt? Tja.

„Die Bauchpresse“, sagt die Trainerin, „das ist ein hochwirksames Gerät.“ Ich sitze in der Bauchpresse und habe die Hände in die Schlaufen an den Bügeln gesteckt. Man muss sich vorbeugen und zieht damit über eine Art Flaschenzug ein Gewicht hinten hoch, so als trage man eine schwere Last auf dem Buckel. Dann lehnt man sich wieder zurück, dann wieder nach vorne und so weiter. Ein bisschen fremd fühle ich mich schon.

Eine Tibeterin hat mal geschrieben, sie verstehe nicht die Begeisterung der Westler für den Sport. Wenn man so viel Energie übrig hätte, könnte man doch ins Nachbardorf gehen und den Menschen dort bei der Ernte helfen. Die Frau müsste sich mal die Gerätehalle hier anschauen. Hier wird hart gearbeitet. An schrägen und geraden Bauchmuskeln, Adduktoren, Latissimus, Trizeps. Grafiken an den Geräten zeigen, welche Muskeln genau dran sind. Eine Fertigungsstraße bei Daimler könnte nicht präziser sein. Nur dass am Ende kein Auto dabei herauskommt. Was auch wieder ein bisschen deprimierend ist.

Meine Freundin Tine sagt, in ein Fitnessstudio würden sie keine zehn Pferde mehr kriegen. Lieber kurvt sie mit dem Fahrrad zweimal ums Tempelhofer Feld und macht dann zu Hause ein paar Übungen mit dem Theraband. Aber ich gehe eigentlich gerne unter Menschen. Ich werde mal den Pool bei „Jopp“ ausprobieren. Im Badeanzug hopse ich runter und öffne die Tür. Ein unglaublicher Mief schlägt mir entgehen. Ein Dutzend Frauen steht im kleinen Becken und wedelt mit den Armen. Aquafitness. Das schaffe ich nicht.

Der 18-Monats-Vertrag, wo man nicht hingegen muss

Bei „Jopp“ gibt es jetzt ein Sommerspecial, 18 Monate zum Niedrigpreis, wenn man auf einmal bezahlt. Ich könnte es machen wie meine Bekannten F. und K. Die buchen immer so was Billiges. Ersatzhandlung. Und dann mal sehen.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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4 Kommentare

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  • J
    Jörn

    @Horsti

     

    Unvermittelbar ist natürlich Quatsch. Ein Blick in die Statistik der Eheschliessungen verrät, dass es keine Altersgruppe gibt, die dort "unvermittelbar" ist.

     

    Allerdings erleben diese Frauen einen "grossen Fall" ihrer Anziehungskraft. Junge Frauen sind überproportional begehrt. Nicht nur gleichaltrige sondern auch ältere Männer interessieren sich für sie. Sie sind gewohnt, sich den Mann aussuchen zu können, ohne nach ihm suchen oder um ihn gross werben zu müssen.

    Gleichzeitig sind gebildete Frauen finanziell und im Denken selbständig. Sie benötigen für ihr normales Leben keinen Mann - können also in Ruhe abwarten, falls sich nach einer Trennung nicht sofort ein geeigneter "Ersatz" findet.

    Mit 35 Jahren ändert sich ihre Situation. Auf Grund ihrer "biologischen Uhr" haben sie plötzlich keine Zeit mehr abzuwarten. Gleichzeitig reduziert sich die Zahl der Männer, die sich für sie interessieren zunächst auf ein paritätisches und dann später geringeres Niveau.

    Hoher Erfolgsdruck ("biologische Uhr") und hohe Erwartungshaltung paaren sich dann mit wenig Wissen um die Partnersuche (ging vorher doch "von alleine").

     

    Bei den Männern ist es umgekehrt. Sie haben erlebt, dass sie in jungen Jahren bei den Frauen wenig Chancen haben. Sie haben ihre Werbungstechniken entwickelt und waren froh, eine Frau gefunden zu haben, die ihren Vorstellungen in etwa entsprach.

    Plötzlich sehen sich diese Männer einem grösseren Angebot von Frauen gegenüber. Ihre Werbungstechniken sind nicht mehr erforderlich. Dafür müssen sie plötzlich auswählen, was sie nicht gewohnt sind. Gleichzeitig forcieren die Frauen die Bindung - machen ihnen also Druck bei ihrer Auswahlentscheidung.

  • S
    Schenk

    Stimmt schon, als Mittfünfziger ist man dem Tod schon sehr nahe. Alles macht irgendwie keinen Sinn mehr. In Bezug auf das Training im Fitnessstudio hilft da ein Leitsatz: "Ich möchte so einen geilen Body haben, dass ich jederzeit in einem Glassarg beerdigt werden kann!" Mir hilft`s.

  • M
    muh

    Gerätesport ist sinnlose Zeit- und Geldverschwendung, man bekommt wesentlich weniger Trainingserfolg für mehr Geld- und Zeiteinsatz. Eigengewichttraining ist sowohl zum Abnehmen als auch zum Figurhalten und für die allgemeine Fitness wesentlich effektiver als Gerätetraining; dazu noch praktisch umsonst (meine einzige Anschaffung dafür war eine Fitnesmatte, der Boden ist ohne halt ein wenig hart), weniger Zeitaufwand (Weg zum und vom Fitnescenter entfällt), im Prinzip jederzeit und überall durchzuführen und daher Flexibler, außerdem belasten (und somit trainieren) die meisten Eigengewichtübungen mehr Muskeln als entsprechende Geräteübungen. Wenn es also nicht nur ein Abo zur Gewissensberuhigung sein soll, ssondern wirklich Trainingserfolge erzielt werden sollen, ist das Geld in einem guten Buch über Eigengewichttraining wesentlich besser angelegt. Selbst das muss nichtmal sein, man findet auch Trainingsanweisungen- und Übungen zuhauf im Internet, auch wenn ich sowas lieber als Buch im Regal stehen hab.

  • H
    Horsti

    Führt das Diätprodukt zum Mann?

     

    Frau muß es realistisch einschätzen. Und der Realismus sagt, daß eine Frau Ü50 auf dem Partnermarkt quasi unvermittelbar ist, egal ob mit oder ohne Bauch.

     

    Die "Süddeutsche Zeitung" schrieb mit Bezug auf die amerikanische "Newsweek", daß selbst für eine 40-jährige Frau die Chance einem Terroranschlag zum Opfer zu fallen größer ist, als einen Partner fürs Leben zu finden.

     

    http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/28735