Kolumne Pressschlag: Verbrechen gegen die Sportlichkeit
Sportbetrug ist nicht strafbar. Zwar werden Betrüger angeklagt, doch dabei geht es eher um Geld und Ökonomie, nicht um Verbrechen gegen den edlen Sport.
F ünfeinhalb Jahre Knast. Ante S. und sein Kumpan Mario C., die größten Wettbetrüger in der Geschichte des deutschen Fußballs, die Spieler und Schiedsrichter zur Manipulation angestiftet haben, sie sollen lange weggesperrt werden, so hat es Richter Wolfgang Mittrup im Verfahren am Bochumer Landgericht entschieden. Staatsanwalt Andreas Bachmann war zufrieden mit dem Urteil, obwohl er für sieben Jahre Haft plädiert hatte. Als "Feinde des Sports" hatte er den einschlägig vorbestraften S. und den mehrfach in anderen Fällen vorbestraften C. bezeichnet. Feinde des Sports! Viel schlimmer geht es hierzulande nicht. War Bachmann nach der Urteilsverkündung so zufrieden, weil es der deutschen Justiz gelungen ist, ein Zeichen im Kampf gegen den internationalen Sportterrorismus zu setzen?
Moment mal! Was wurde eigentlich verhandelt in Bochum? Es ging jedenfalls nicht um Verbrechen gegen die Sportlichkeit. Das ist, auch wenn das manche bedauern mögen, kein Straftatbestand. Es ging um gewerbsmäßigen Betrug. Die beiden Verurteilten sollen dabei einen Schaden von jeweils etwa 2 Millionen Euro verursacht haben. Geschädigt wurden angeblich Wettbüros. Darum ging es im Bochumer Prozess. Auch wenn es sich im Plädoyer des Staatsanwalts anders anhörte: Es ging nicht um den Sport, nicht um Fairness, und schon gar nicht um den Betrug am arglosen Sportsfreund.
"Solche Spieler gehören für mich ins Gefängnis." Das hat Claus-Dieter Wollitz gesagt, der Trainer des VfL Osnabrück war, als einer seiner Spieler mit den betrügerischen Zockern ins Geschäft gekommen ist. Er hat dies gesagt, weil er das Urteil des DFB-Sportgerichts für diesen Spieler, Marcel Sch., für lächerlich hielt. Der wurde im August 2010 für 33 Monate gesperrt, weil er sich bereit erklärt hatte, die Ergebnisse von vier Punktspielen des VfL zu beeinflussen. Für Wollitz wiegt das Verhalten von Sch. auch deshalb so schwer, weil der VfL in jener Saison, weil drei Pünktchen fehlten, aus der 2. Bundesliga abgestiegen ist. Er muss sich fragen, ob Osnabrück nicht vielleicht die Klasse gehalten hätte, wenn sich dieser Sch. nicht auf einen Deal mit Schiebern wie S. oder C. eingelassen hätte. Ein Fall für den DFB, möchte man meinen. Wettbewerbsverzerrungen wird der Verband ja wohl zu verhindern versuchen.
ANDREAS RÜTTENAUER ANDREAS RÜTTENAUER ist Sport-Redakteur der taz.
Macht er aber nicht. Nur wer rechtzeitig vor Saisonende eine Manipulation nachweisen kann, hat das Recht auf eine Spielwiederholung. Im Fall Osnabrück ging es um die Saison 2008/2009. Die war im Frühjahr vorbei. Im Herbst 2009 ging die Staatsanwaltschaft Bochum mit ihren Ermittlungsergebnissen an die Öffentlichkeit. Pech für Osnabrück.
Auch im ersten Wettskandal um S., der damals mit dem Schiedsrichter Robert H. zusammengearbeitet hat, ging es dem DFB nicht um sportliche Gerechtigkeit. Damals wurde der Hamburger SV von H. aus dem Pokalwettbewerb herausgepfiffen. Zu Wiederholungsspielen kam es nicht. Zur Entschädigung durfte der HSV ein Länderspiel veranstalten. Fairness auf dem Platz war dem DFB damals so wurscht, wie sie ihm heute ist. Wie gut, mag man sich im Verband denken, dass sich darum jetzt die Staatsanwaltschaft kümmert und Verbrecher als "Feinde des Sports" brandmarkt.
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