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Kolumne PressschlagKampfansage an die Fankultur

Die Aussperrung Rostocker Fans wirft die Frage auf, ob brisante Derbys noch durchführbar sind. Steht die Stimmung in den Stadien zugunsten der Sicherheit auf dem Spiel?

Am Sonntag (13.30 Uhr) steigt das „Hochrisikospiel“ zwischen dem FC St. Pauli und Hansa Rostock. Die Rostocker Fans müssen dann draußen blieben. Bild: dapd

E in Spiel zwischen dem FC St. Pauli und dem FC Hansa Rostock ist ein „spezieller, hochriskanter Einzelfall“. Das hat das Hamburger Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aussperrung von Rostocker Fans vom Spiel am Sonntag am Millerntor festgestellt.

Zu viel sei in der Vergangenheit passiert. Das klingt so, als müsse man sich keine Sorgen machen, dass andere Derbys in nächster Zukunft ebenfalls von polizeilichen Sondermaßnahmen betroffen sein könnten. Das Hamburger Gericht geht nicht davon aus, dass in naher Zukunft mit einer Häufung von Geisterspielen und Fanaussperrungen zu rechnen ist.

Dabei wäre es ein Leichtes, auch dem großen Nordderby zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen, dem Duell zwischen Mönchengladbach und Köln oder einer Partie zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Kaiserslautern ein spezielles Hochrisikopotenzial zu attestieren. Werden behördlich angeordnete Fanaussperrungen bald doch zum Alltag in der Liga?

taz
Andreas Rüttenauer

ist Redakteur im Sportressort der taz und löste jüngst mit einer Kolumne über den FC Augsburg heftige Reaktionen aus.

Mit Spannung wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts erwartet, das sich nun grundsätzlich mit der Frage befassen wird, ob derartige Polizeimaßnahmen zulässig sind und inwieweit ein Veranstalter eines Sportereignisses für das haften muss, was im Umfeld seiner Veranstaltung passiert. Es geht also auch um die Frage, ob der gastgebende Klub als Veranstalter für Störungen haftbar gemacht werden kann, auch wenn diese gar nicht von ihm ausgehen, ob er für Kosten, die für die Gefahrenabwehr anfallen, aufkommen muss, inwieweit er schadensersatzpflichtig wird, wenn etwas passiert.

Hochrisikospiel als finanzielles Desaster

„Die Klärung dieser grundsätzlichen Frage in der Tiefe, die aufgrund der weitreichenden Folgen für die Verhaltenspflichten und Kostenhaftung des Veranstalters eines Fußballspiels geboten ist, kann nur im Hauptsacheverfahren erfolgen“, heißt es im Urteil des Verwaltungsgerichts.

Ein so genanntes Hochrisikospiel könnte zum finanziellen Desaster für den gastgebenden Klub werden. Deshalb erwarten die Bundesligaklubs die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts durchaus mit Sorge. Doch gemach! Es wird schon kein Derby abgesagt werden. Dem organisierten Fußball wird schon etwas einfallen, um die Spiele durchführen zu können.

Es wird längst an einer Art Publikumstausch in den Stadien gearbeitet. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach benutzt ganz bewusst immer wieder das Wort Terror, wenn er über Fans spricht, und sieht längst das Ende der Stehplatzherrlichkeit in deutschen Stadien nahen. Hannovers Präsident Martin Kind spricht davon, dass er die Strafen, die er für Fehlverhalten der 96-Fans zahlen muss, dadurch kompensieren will, dass er endlich die billigen Stehplatztickets abschaffen will. Über die Ticketpreise sollen Ultras und Problemfans von den Stadien ferngehalten werden.

Niersbach widerspricht sich selbst

Liga und DFB scheinen zudem eine totale Fankontrolle anzustreben und würden gerne mit der Sitzplatznummer Name und Adresse des Sitzplatzinhabers speichern. Dass derartige Maßnahmen nicht nur von völligem Unverständnis für die Ultra-Bewegung zeugen, sondern eine regelrechte Kampfansage an die Fankultur darstellen, scheint Niersbach billigend in Kauf zu nehmen. Immer wieder schwärmt er von der Stimmung bei der Männer-WM 2006 und lobt die tolle Atmosphäre bei der Frauen-WM 2011.

Letztere mag ein tolles Turnier gewesen sein. Wer aber kreischende Kinder in einem schlecht besetzten Stadion der Derbystimmung in einem Spiel der Männerbundesliga vorzieht, der hat nicht verstanden, dass Fußball mehr ist als ein Ballspiel zweier Teams auf einem begrenzten Rasengeviert.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das

4 Kommentare

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  • G
    Gerlinde

    Sie scheinen ein Talent für Wortverfehlungen zu haben.

    Erst Ihr Artikel: Die Kicker aus der Antistadt(?!) - meinen Sie hier, dass es sich auf Grund der Einwohnerzahl um ein Dorf handelt, das nicht die nötigen finanziellen Mittel aufbringen kann, um im Teich der Großen mitzuschwimmen? Oder ziehen Sie hierbei einen Vergleich zu einem Dorfplatzgebolze, das nicht erstligatauglich ist? Ich möchte Ihnen dahingehend widersprechen, dass bis zum Aufstieg kaum jemand wusste, das es Augsburg überhaupt gibt. Leute mit Allgemeinbildung dürften diese Aussage widerlegen. Sie sollten sich zum einen mit der Geschichte des römischen Augusta Vindelicorums (siehe Kaiser Hadrian 122 n. Chr.) und und zum anderen mit der Geschichte der Fugger beschäftigen. In Augsburg existiert die älteste Sozialsiedlung der Welt, erbaut von Jakob Fugger (altes Handelsgeschlecht, von dem Könige, Kaiser und Päbste abhängig waren - von Fußball war natürlich noch nicht die Rede, sonst wäre dieser u. U. als Sponsor aufgetreten). Ein Traditionsteam kann nur dann entstehen, wenn es eine Mannschaft schafft, sich emporzuarbeiten und auch in einer höheren Liga zu etablieren. Das dieses durch einen starken Mannschaftszusammenhalt möglich ist, hat der FCA ausreichend bewiesen. Technik und Taktik sind erlernbar, wenn man sich konstant gleichrangigen Gegnern stellt. Einen Vergleich mit Ihrem Supertraditionsverein 1860 München möchte ich im Vorfeld unterbinden, da dieser in den dreißiger Jahren vor allem Beziehungen zur NSDAP pflegte, um sich vor einer Insolvenz zu retten. Was ist also Tradition? Dass man mehr noch als käuflich ist - nur Vitamin B Spritzen? Dann lieber lernfähig aus eigener Kraft und mit Fans die voll hinter der Mannschaft stehen. Ich habe Ihrem Artikel entnommen, dass Sie nur über das einseitig ausgebildete sportliche Wissen verfügen und das Allgemeinniveau wie Geschichte, Politik etc. nicht unbedingt in starkem Maße vorhanden ist.

     

    In aktuellem Artikel unter Niersbach widerspricht sich selbst, sprechen Sie von kreischenden Kindern in einem schlecht besetzten Stadion. Es liegt in der Natur von Kindern sich zum Teil lautstark zu äußern (haben Sie bereits welche, wahrscheinlich nicht), verbissene Hooligans dürften hierzu im Vergleich schlechter abschneiden. Sie scheinen jedoch hierbei zu vergessen, dass die Zukunft unserer Welt in den Händen unserer Kinder liegt, diese wie auch die Nachwuchsmannschaften lern- und disziplinierfähig sind. In Ihrer sportlichen Denkweise könnte man auch sagen, hier liegt die zukünftige Kaufkraft, auf die die Sportwelt so baut. Im Übrigen bin ich auch mit dem Gegenartikel in der daz-augsburg nicht ganz einverstanden. Schade, dass aus einem Land der Denker und Dichter ein Land der unflätigen, auf dem unteren Level angesiedelten Sprach- und Argumentationsjongleure geworden ist.

  • R
    Raumgleiter

    "Wer aber kreischende Kinder in einem schlecht besetzten Stadion der Derbystimmung in einem Spiel der Männerbundesliga vorzieht, der hat nicht verstanden, dass Fußball mehr ist als ein Ballspiel zweier Teams auf einem begrenzten Rasengeviert."

     

    Sowas Despektierliches ueber die Frauen-WM in der taz! Nach all den Jubelorgien. Hihi, dass gibt bestimmt Aerger - mindestens einen Monat lang den Müll raustragen.

  • P
    pablo

    @Johannes: Das möchte keiner aber die Aussperrung der gesamten Fans eines Vereins unterstellt das die gesamten Fans gewalttätig sind und nur Krawalle wollen. Wenn die Polizei tatsächlich einen überblick über die Gewalttäter hätte wie sie es immer wieder behauptet würde sie diese Gewalttäter mit einer Meldepflicht bei der örtlichen Heimatstadt Polizei belegen und damit die Krawall-Idioten bestrafen und nicht die Mehrheit der Fans die friedlich ist.

    Die Polizei in Hamburg hat mit dieser Maßnahme gezeigt das sie nicht fähig und auch nicht gewillt ist Gewalttäter von Friedlichen Fans zu unterscheiden. Und das die Konzepte der Polizei die sie seit Jahrzehnten gefeiert hat schon immer gescheitert (gewesen) sind.

    Es wird sich jetzt am Sonntag zeigen ob ein Stadionverbot nicht ein Schuss ins eigene Bein ist. Das sich mit Verboten Krawalle verhindern lassen ist zu tausendfach wiederlegt. Wenn es friedlich bleibt ist es kein Indiz dafür das Verbote solcher Art etwas bringen da nicht ein einziger Fall als Indiz für die richtigkeit gewertet werden kann erst das mehrmalige wiederholen solcher Maßnahmen und wenn es dann Friedlich bleibt wäre ein Indiz dafür. Wir sind gespannt aus das Urteil des Hauptsacheverfahren, dann geht die Diskussion erst richtig los, egal wie das Urteil ausfällt.

  • J
    Johannes

    Fankultur hin oder her, wer die letzten Spiele von Hansa gegen Pauli gesehen hat kann kaum etwas dagegen einwenden.

    Ich zumindest möchte nicht nochmal erleben in einem Stadion mit Leuchtspuren beschossen zu werden!