Kolumne Press-Schlag: Wenn der Samstag zum Oxymoron wird
Bei Hertha BSC Berlin spielen coole Säue, und im Tor des MSV Duisburg steht ein Schussel.
Die Zusammenstellung zweier sich widersprechender Begriffe in einem Wort oder in einer rhetorischen Figur nennt man ein Oxymoron. "Pantelic ist schon eine coole Sau", sagte doch tatsächlich zweimal und für die auslösenden Momente schwer bestreitbar einer in meiner Premiere-Kneipe; was bedeutete, dass auch an der ihm zuarbeitenden Mannschaft irgendetwas cool sein musste.
Wenn auch das standardisierte Hertha-Bashing einer schon lange nicht mehr ganz taufrischen Westberliner Intelligenzija ermüdend wie ein Gespräch über das Rauchverbot ist, so überraschten mich diese Ausbrüche doch. Vor allem, weil sie mir selber rausrutschten. Aber es war einfach so, dass Hertha an diesem 19. Spieltag so etwas wie ein Profil bekam: ein fightender, aggressiver Vorstadtclub mit einem genialen Vollstrecker, der die Krise eines an sich überlegenen Gegners gnadenlos ausnutzt. Die ganze Misere dieses Vereins hätte ein Ende, wenn man sich an der Spitze endlich eingestünde, dass Hertha die Chance, Hauptstadtclub Nr. 1 zu werden, verpasst hat. Irgendwann im nächsten Jahrzehnt wird sich ein gelangweilter Multimillionär finden, der einen FC Berlin-Brandenburg als Steuersparmodell gründet oder aus F-Jugend-Sentimentalität Braun-Schwarz Köpenick zur zweiten 1899 Hoffenheim macht. Dann endlich wird Hertha in Berlin die Sympathien finden, nach denen man sich schon so Andy-Möller-mäßig lange sehnt.
Ein anderes schönes Fremdwort ist die Tautologie - eine einen Sachverhalt doppelt wiedergebende Fügung. Ungefähre Synonyme sind Pleonasmus und Redundanz, beliebtestes Beispiel ist: deutscher Torwart. Seit bei der Nationalmannschaft ein Ekel das andere abgelöst hat, gibt es hierzulande wieder eine Torwartdiskussion. Dieses Wochenende empfahl sich Frank Rost vom HSV, Sven Beuckert vom MSV Duisburg braucht dagegen nach seinen Aussetzern gegen Wolfsburg endgültig nicht mehr auf einen Anruf von Joachim Löw zu hoffen. Jan Lastuvka vom VfL Bochum leistete sich in Zusammenarbeit mit seinen Kollegen in der Abwehr einen sehenswerten Schnitzer, da sieht man drüber weg, der Mann ist Tscheche - wie Jan Koller, den endlich einmal im Trikot einer sympathischen Bundesligamannschaft zu sehen für mich die größte Freude dieses Samstags war. Ein brachiales Koller-Tor machte er auch, den Nürnbergern half das allerdings nichts, über ein trauriges Unentschieden kamen sie gegen grundlangweilige Rostocker nicht hinaus.
Auf dem Nachhauseweg dachte ich dann kurz, dass ein Bundesligasamstag ohne Bayern München, Werder Bremen, Schalke und Dortmund vielleicht auch ein Oxymoron ist. Obwohl - ohne Dortmund war er eigentlich okay.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste