Kolumne Press-Schlag: Schalke nervt nur noch
Jede Woche das gleiche Spiel. Da fragt man sich schon, an welchem Punkt der Selbstüberschätzung endlich die Selbsterkenntnis eintritt.
Als Fußballfan müsste man es doch eigentlich besser wissen ob dieses Bildes des Jammers, das der FC Schalke 04 jedes Bundesligawochenende wieder aufs Neue abgibt. Mann sollte kein Herzrasen mehr bekommen ob einer Großchance des Auf-eigenen-Wunsch-Exnationalspielers Kevin Kuranyi und der nur bedingt großen Wahrscheinlichkeit, darauf einen Torjubel folgen zu sehen. Schließlich wird einem dasselbe Schauspiel Woche für Woche wiedergeboten, und langsam fragt man sich, an welchem Punkt der Selbstüberschätzung denn endlich die Selbsterkenntnis eintritt.
"Ich erwarte den nächsten Schritt für Schalke und für die Spieler. Das gehört bei Topklubs dazu", formulierte Andreas Müller, der Manager, vor der Saison die Erwartungen. Die wurden eigentlich schon in dem Moment deutlich, als man kurz vor Ende der vorigen Saison Trainer Mirko Slomka entließ, der mit Schalke Vizemeister wurde, im letzten Jahr Platz drei belegte und den Klub zum ersten Mal bis ins Viertelfinale der Champions League vordringen ließ. Der Außenstehende mag ob eines solch verqueren Blicks auf die eigenen Fähigkeiten nur mit dem Kopf schütteln können. "Es gab eine einvernehmliche Trennung" wurde damals von Seiten des Vereins erklärt. Auch Slomka wird damals entnervt gewesen sein, so wie Kollege Fan heute.
Die Schalker Gier nach einem Übungsleiter von Weltformat wurde Wirklichkeit im Holländer Fred Rutten. Der kam im Sommer mit dem anscheinenden Gütesiegel, mit dem FC Twente Platz vier in der heimischen "Ehrendivision" belegt zu haben. Außer einem recht putzigen Akzent hat der 45-Jährige aber noch nicht viel zeigen können von seinen überragenden Fähigkeiten: Platz acht in der Bundesliga, gegen ein Konkurrenzteam aus den Top Ten konnte man noch nicht gewinnen. In der Champions-League-Qualifikation ließ man sich früh von Atletico Madrid aus den eigenen Ansprüchen prügeln.
Manager Müller hält immer wieder flammende Plädoyers für seinen Trainer Rutten und was für ein "harter Hund" der doch sei - wohl auch im Hinblick auf die eigene Position: Die Transferpolitik Müllers ist umstritten. Nicht selten macht Schalke den Eindruck eines auf allen Vereinspositionen mittelmäßig besetzten Klubs, der zwischen Traum und Wirklichkeit längst nicht mehr unterscheiden kann. "Ich erwarte aus den letzten vier Spielen bis zur Winterpause zehn Punkte", forderte Aufsichtsratschef Clemens Tönnies nun.
Dass der sich gern unbedarft zu Wort meldende Tönnies Fleischfabrikant ist, passt doch ganz gut: Langsam ist einem das ganze Schalker Theater wurscht. Am Samstag im Heimspiel gegen die Gladbach hat Kevin Kuranyi wieder mal die Möglichkeit, Chancen zu vergeben. Fred Rutten kann dann Kuranyi starkreden nach der Partie. Andreas Müller wiederum Rutten verteidigen. Wenn es nur nicht so nerven würde!
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