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Kolumne Press-SchlagTräumen von Deutschland

Die Deutschen berauschen sich an der Bundesliga, den vielen Zuschauern und Rekorden. Nur: Ihr internationaler Stellenwert ist nach wie vor bescheiden.

„Abgetakelter Weltstar“, der Deutschland schnell wieder verlässt: Raul. Bild: dapd

S chon wieder ein Rekord! 45.116 Zuschauer kamen im Schnitt zu den Bundesligaspielen der abgelaufenen Saison. Die Liga brummt und brummt. Die Deutschen lieben ihre Eliteklasse.

Sie freuen sich über den holländischen Torjäger Klaas-Jan Huntelaar, der 29 Mal getroffen hat in dieser Spielzeit – so oft wie seit Karl-Heinz Rummenigge in der Saison 1980/81 keiner mehr. Sie jubeln über fabelhafte Dortmunder, die so viele Punkte erzielt haben wie noch nie ein Klub vor ihnen. Und sie zollen auch dem FC Bayern Respekt, der 73 Zähler geholt hat, ein Wert, der ihnen seit der Saison 1999/2000 sechs Mal zum Gewinn der Meisterschale gereicht hat.

Und keiner hat eine große Millionariodebatte angezettelt, als die neuen Verträge über die Übertragungsrechte präsentiert wurden, die bis 2017 beinahe 2,5 Milliarden Euro in die Kassen der Bundesligisten spülen werden. Die Deutschen wähnen ihre Liga auf dem Weg nach ganz oben in der Welt.

Aber warum nur nimmt das außerhalb Deutschlands kaum einer wahr? Kaum produziert die Liga einen herausragenden Spieler, streckt der seine Fühler in Richtung anderer Ligen aus – meist Richtung England. Das war beim in der Bundesliga so herausragenden Bosnier Edin Dzeko nicht anders als es jetzt beim in Dortmund herausragenden Japaner Shinji Kagawa ist, der wohl in die Premier League wechseln wird. „Es war schon immer mein Traum, in England zu spielen“, ist dann der Satz, den man zu hören bekommt.

Abgetakelte Weltstars

Warum fragen sich die bundesligabesoffenen Deutschen nicht, warum es noch keinen Superjapaner in der Premier League gegeben hat, der in einem Interview sagt, er habe schon immer davon geträumt, einmal in Deutschland zu spielen, und dann seinen Wechsel zu Hannover 96 verkündet, obwohl die Niedersachsen auch nicht besser zahlen als der Klub, bei dem er bis dato gespielt hat? Und warum werden alternde Stars wie Ruud van Nistelrooy oder Rañl auf ihrem Weg in den fußballerischen Vorruhestand wie messianische Heilsfiguren gefeiert, wenn sie in der Bundesliga unterschreiben?

Früher haben abgetakelte Weltstars ihre Karriere in der Schweiz (Karl-Heinz Rummenigge) oder Österreich (Mario Kempes) ausklingen lassen, heute können sie in der Bundesliga noch einmal abkassieren, bevor sie an den Golf wechseln oder ins Fußballentwicklungsland USA.

Nein, irgendetwas stimmt mit der Bundesliga nicht. Warum träumen nur deutsche Kinder von einer Karriere bei einem deutschen Klub? Der FC Bayern mag da eine Ausnahme sein. Den kennen Kinder in der ganzen Welt, weil er regelmäßig mitspielt mit den Großen aus Italien, Spanien und England. Ansonsten gibt es keinerlei Kontinuität. Welche Klubs haben die Bundesliga nicht schon in der Champions League vertreten: Wolfsburg, Stuttgart, Leverkusen, der Hamburger SV, Werder Bremen, Kaiserslautern, Schalke, Dortmund und – wirklich! – auch Hertha BSC.

Die Ausgeglichenheit der Liga

Hatte man sich in Europa an einen Klub gewöhnt, stürzte der prompt wieder ab. Hierzulande freute man sich dagegen über die Ausgeglichenheit der Liga, in der jeder jeden schlagen – und beinahe jeder irgendwann auch einmal einen Europapokalwettbewerb (Freiburg, Nürnberg, Mainz) erreichen kann.

Nach dieser Saison, in der es mit Bayern München und Borussia Dortmund nur zwei wahrhafte Spitzenteams gegeben hat, die den Rest der Liga weit distanziert haben, keimt die Hoffnung auf, dass sich neben den Münchnern endlich ein zweiter Klub aufmacht, kontinuierlich ganz oben mitzuspielen und international immer dabei zu sein. Deutsche Topspieler scheinen daran zu glauben. Hätte sonst ein Marco Reus in Dortmund unterschrieben – trotz Angeboten von Real Madrid und dem FC Arsenal?

Warten wir also ab, wie lange es noch dauert, bis japanische Kinder von der Bundesliga träumen.

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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9 Kommentare

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  • D
    Daniel

    Ich verstehe die Aufregung ehrlich gesagt nicht wirklich.

     

    Aus meinen persoenlichen Erfahrungen waehrend meiner Zeit in England und auch durch die Lektuere der englischen Presse zu diesem Thema, schauen viele englische Fussballfans fast neidisch auf die dt. Fussballwelt. Seien es die (im Vgl. zur EPL) niedrigen Eintriittspreise, die Stehplaetze und vor allem das Mitspracherecht von Vereinsmitgliedern (50+1 Regel).

     

    Es gab vor einiger Zeit mal eine interessante Doku ueber englische Fussballfans, die sich extra die Muehe machen regelmaessig fuer's Wochenende per easyJet nach Hamburg zu fliegen und sich St.Pauli-Spiele anzuschauen - einfach weil es fuer sie immer noch billiger ist als zu einem EPL-Spiel zu gehen und weil sie die Atmosphaewre im Stadion moegen.

     

    Es stimmt natuerlich, dass die "Stars" i.d.R. in die EPL wechseln - aber mit welcher Konsequenz? Die jungen englischen Spieler haben kaum Chancen regelmaessig zu spielen und ihr Koennen unter Beweis zu stellen mit entsprechenden Konsequenzen fuer die Nationalmannschaft.

     

    Ne ne, da bevorzuge ich doch lieber die Bundesliga.

  • G
    gustavo

    ist doch alles schick soweit: fussball ist ja immer noch ein wettbewerb: jahr für jahr können 10 mannschaften in der BL um internationale plätze mitspielen. irgendwie sind BL teams meistens in euros viertelfinals oder halbfinals gut dabei. die ganz grosse egomafia der oligarchen,scheichs und bauunternehmer hat nur arg gefilterten einlass.preise in den stadien weit unter englischem schnitt. gute internationale presse nach Wc06 zuhause und spielerisch WC10 in SA. özil bei real und poldi bei wenger. solange in der bundesliga und vorm stadion diese merkwürdige sprache deutsch gesprochen wird und das wetter sich nicht ändert und es ne reine sportzeitung nicht zu ner täglichen auflage mit eingebauter telenovela schafft,bleibts schwierig mit den japanischen kids.aber wer will das fordern?

    mit der derzeitigen qualität und potenzial,unterhaltungswert und stabilen struktur muss man sich doch gar nicht verstecken. mit nem höheren stellenwert der BL als spanien oder england könnte doch auch keiner umgehen( siehe kommentare)

    Deutsche haben ein problem ,sich relaxed sexy zu finden und der "rest der welt" scheint irritiert darüber...was auch nicht sexy ist

  • OK
    Otto Kleff

    Rañl? WtF?

  • M
    moritz

    Das ist ja kaum auszuhalten dieses deutsche Gejammer und Geheule! Kauf dir nen Keks, Andreas. Ist doch scheißegal, wer sich für die Bundesliga interessiert und wer nicht! Was hat die Bundesliga denn so tolles, was sie so bewundernswert macht, sodass sich alle für sie interessieren sollen? Geh dich doch bei den Fans beschweren, die jedes mal ins Stadion kommen, um Urwaldlaute von sich zu geben und die Spieler zu schikanieren! Der deutsche Fußball hat nun mal ein Rassismusproblem und das ist sicher nicht das einzige, was die Welt daran hindert, wie gebannt auf die Bundesliga zu schauen.Ihren Kommentar hier eingeben

  • A
    anke

    Wie lange es noch dauert, bis japanische Kinder von der Bundesliga träumen? Genau so lange, nehme ich an, wie Prinz Charles braucht um König zu werden. Vielleicht, könnte doch sein, stimmt ja was mit all den anderen Fußballländern nicht...

  • M
    moritz

    Das ist ja kaum auszuhalten dieses deutsche Gejammer und Geheule! Kauf dir nen Keks, Andreas. Ist doch scheißegal, wer sich für die Bundesliga interessiert und wer nicht! Was hat die Bundesliga denn so tolles, was sie so bewundernswert macht, sodass sich alle für sie interessieren sollen? Geh dich doch bei den Fans beschweren, die jedes mal ins Stadion kommen, um Urwaldlaute von sich zu geben und die Spieler zu schikanieren! Der deutsche Fußball hat nun mal ein Rassismusproblem und das ist sicher nicht das einzige, was die Welt daran hindert, wie gebannt auf die Bundesliga zu schauen.

  • MM
    Max Mustermann

    die internationale Reputation der Bundesliga steigt und steigt.

    Bsp. Kommentar NYTimes diese Woche

     

    deutlich reflektierter als dieser tazartikel

     

    http://goal.blogs.nytimes.com/2012/05/04/cisses-goal-was-soccer-made-in-germany/

  • D
    derWahrheit

    Schöner Artikel, der viele wichtige Aspekte benennt.

     

    Warum Asiaten von der Premier League träumen? Weil diese seit vielen Jahren in Asien viel besser vermarktet wird, dazu gar Spitzenspiele in GB Mittags ausgetragen werden, damit die Asiaten mitgucken können. Super Sache, zumal man Mittags mitunter super Fussball schauen kann, es durch eine weitere Entzerrung des Spieltages mehr Livespiele gibt und damit auch wieder die TV Sparte profitiert. Aber in der Bundesliga sträumen sich dagegen dann wieder die Fussballfans mit ihrem 15:30 - Projekt, warum habe ich bis heute nicht verstanden.

     

    Beim BVB muss man wieder abwarten und jeder Pessimismus hat seine Berechtigung: Man schaue sich andere Vereine an, die sich über 1 oder gar 2 Jahre an die Bayern rangehängt hatten. Bestes Beispiel ist Werder Bremen, die es tatsächlich geschafft haben über Jahre in der CL zu spielen und im Ausland als deutsche Nr. 2 wahrgenommen werden konnten. Und jetzt? Kein Europa mehr und Ausverkauf des Kaders. Das könnte für die nächste Saison wieder graues Mittelmaß geben in Bremen, leider.

  • WN
    wolfgang niersbach

    was für ein unsinn. während sich unser dfb-ehrenpräsident darüber echauffiert, dass die japanischen kinder, sich eher der premier league als der bundesliga zuneigen, sehnen sich viele fußballfans aus england nach bundesliga-verhätnissen. preise die bezahlbar sind. stimmung auch von stehplätzen.

    woran mag es wohl liegen, dass international das ansehen der englischen liga höher ist als das der bundesliga? klar sind da die besseren spieler. weil da eben sehr viel mehr geld generiert wird. das ist weltweit anziehender. aber der wettbewerb in der deutschen liga ist schlicht offener. offener als in den meisten anderen ländern. zentrale vergabe der fernsehrechte ist hier das stichwort.

    nein, hier ist nicht alles gut. aber fußballfans weltweit, die nicht nur stars (oder grandiosen, auf schulden aufgebauten fußball à la barca) sehen wollen, sondern gute stimmung und halbwegs "chancengleichheit", denen bleibt nur die bundesliga. erste oder zweite.

    dass das fußballfans in einer welt, in denen ihnen die notwendigen erfahrungen nicht ernsthaft zugänglich sind, nicht so erleben können, ist kein argument, dass diese es richtig einschätzen.

     

    ich persönlich mag rugby gern. und finde natürlich neuseeland toll. dass dies eine ziemlich uninformierte sicht ist, lernt man dann, wenn man sich mal mit rugbyfans unterhält. wo rugby auch ein ernsthafter sport ist (bei mir war's in toulouse).

     

    nein, ein japanisches kind ist kein maßstab. noch nicht.