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Kolumne ParallelgesellschaftEin tolles Jahr wird das!

Jan Feddersen
Kolumne
von Jan Feddersen

Eine Überschrift, die von Gutem kündet, die geht ja gar nicht. Warum eigentlich nicht viel mehr positive Nachrichten?

B arack Obama wird in knapp drei Wochen inthronisiert; schön das, weil man sich kaum wird sattsehen können an den Bildern, dass da ein ethnisch ziemlich durchmischtes Menschenkind zum Boss aller Regierungsbosse in der Welt gemacht wird. Eine Prognose sei gewagt: Die Körpersprache des Präsidenten in spe wird wie die seiner Frau und seiner Töchter von coolem Selbstbewusstsein künden; da weiß einer, wofür er auch symbolisch steht, und bedient doch das Spiel der Opfergeschichten nicht. Das Weiße Haus ist eben auch nur ein Haus, und zugleich ein besonderes. Das werden wir auch sehen können.

Bild: taz

Jan Feddersen ist Autor und Redakteur in den Ressorts taz.mag und tazzwei.

Die sogenannte Finanzkrise wird bei uns auf irgendwie spendable Weise verhandelt. Hier noch ein Milliardchen, dort noch ein kleiner Bettelgang zum Staat, auf dass er siechen Branchen aufhelfe. Neoliberale haben momentan einen schweren Stand; Figuren wie Henkel, Merz oder Miegel wirken, hört man ihnen beim Reden jetzt zu, irgendwie mehlig und kraftlos. Schade eigentlich, dass sie unter dem Druck der Tatsachen zu kleinen Jungs mit schlechtem Gewissen zu werden scheinen. Es wird schwer dieses Jahr, irgendeinen Experten zu finden, der glaubwürdig weiterhin zu belegen sucht, dass Deregulierung und der Abschied von der Idee des Staates als Gratistränke für alle möglichen Begehren nicht so verkehrt waren. Wie sie alle heißen, diese Kader der "Christiansen"-Ära: zusammengebrochen nicht unter den Verhältnissen, sondern unter der eigenen Eitelkeit, die nun nicht mehr eisig glamourös wirkt.

Die deutsche Angst vor dem Zusammenbruch ist immer noch nicht so recht spürbar. Fast möchte man dieses allfällige Wird-schon als Haltung für einen weiteren Schritt auf dem deutschen Weg zur Lebensstilmediterranisierung halten. Die sich in einem Satz verdichten könnte: Ja, okay, könnte schlimm werden, aber bis dahin warten wir mal, jedenfalls ist das Murren im Klang der Apokalypse ja wirklich nicht gut für die Laune. Die ziemlich eindrückliche Stimmung des Shoppens und Weitermachens, vor allem in Quartieren wie Berlin-Neukölln, wo doch alle linke Welt erwarten möchte, dass dort der ersehnte Aufstand der Massen seinen Anfang nimmt, und sei es vielstimmig im Gewand eines Gesprächscafés, die ist mit Händen zu greifen. Privat bevorzugen die allermeisten ja ohnehin, was gern als kleines Glück für wertlos gehalten wird.

Auf der anderen Seite nimmt die Tendenz zu, Unvermeidliches für katastrophal zu nehmen. In diesen Tagen liegt Schnee in Berlin, und die Verkehrsmeldungen im Radio tun so, als ob Winter in unseren Breitengraden irgendwie auch Kälte und Frost und Schnee im Plan hat. Womöglich fallen weitere Zentimeter der gefrorenen Wassertropfen und der RBB kriegt einen Zuschlag für einen ARD-"Brennpunkt".

Ein Gran Schicksalsergebenheit mit heiterer Note ist dem, was man als Zeitgeist verstehen könnte, momentan schmeckbar beigemischt. Das ist sehr amerikanisch, und diese Kulturhaltung ist den Deutschen ja schon nach 1945 nicht so schwer beizubringen gewesen. In allem Strafe und Sünde zu sehen, also im Gefühl des Wohlen schon die Vergeltung mitzudenken, macht doch echt keinen Spaß.

Also bitte mehr gute Nachrichten. Bioprodukte in Supermärkten gehen wie geschnitten Brot, selbst in ärmeren Gebieten; dass die deutschen Autohersteller nur Pseudopotenzkarren zu fertigen wussten, hat sich inzwischen auch durchgesetzt. Öko und klein sind cool - und das lässt hoffen. Gut ist auch die Nachricht, dass bei einer Umfrage, auf was es im Leben ankomme (Allensbach weiß das ja seit Jahrzehnten, andere pulen jetzt solche Resultate auch hervor), herauskam, dass Politik nicht dazuzählt. Die Deutschen (ob mit oder ohne Pass) finden Privatheit am wichtigsten, Familie und Freunde, jedenfalls nicht Religion und Krieg. Macht einfach keinen Spaß, das alles.

Aber kommt es denn auf Spaß überhaupt an? Keine Ahnung. Ich schätze, die Liebe ist die stärkste Kraft von allen.

Dass das die Deutschen kapiert zu haben scheinen, ist die allerbeste Nachricht.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!

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