Kolumne Parallelgesellschaft: Gehirnwäsche durch Dauerbehauptung
Drei prominente Kritikerinnen des Islam kamen aus linken Milieus und wurden von diesen verstoßen. Sie waren zu unbequem.
Es hat nichts Gemütliches, wenn Frauen wie Necla Kelek, Seyran Ates oder Ayaan Hirsi Ali - meinetwegen: nur aus ihrer Sicht - sich äußern. Sie sind, mindestens aus der Perspektive von sogenannten AntirassistInnen, die Unsympathinnen der Diskussion um Migration, der früher einer um Gastarbeiter war. Man zeiht sie der Malerei von Klischees und der Verkennung des Umstandes, dass ihre Rede die von nützlichen Idiotinnen ist, die Rechtspopulisten nur in die Hände spielten.
Inzwischen hat das Niveau der Debatte an anzüglicher Schärfe, nun ja, gewonnen; neulich wurden die drei Frauen verdächtigt, nah am nationalsozialistischem Überlegenheitswahn zu operieren, denn sie bedienten den liberal-demokratischen Glauben an die Überlegenheit westlicher Werte auf das Vorzüglichste. Sie seien, recht verstanden, Fundamentalistinnen des Westens. Im Namen der Meinungsfreiheit ist es okay, wenn eine solche Haltung es von der taz bis in liberale Medien wie die SZ es schafft - diese sogenannten Analysen formulieren, was in kulturbürgerlichen Szenen ohnehin geraunt wird: alles Rassistinnen, diese.
Jan Feddersen ist Redakteur für besondere Aufgaben bei der taz.
In diese Ecke werden inzwischen auch alle Frauen gestellt, die neulich in der Schweiz für ein Verbot des Baus neuer Minarette stimmten. Auch diese Frauen spielten völkischen Ideologien in die Hände. Ich nenne das: Gehirnwäsche durch Dauerbehauptung. Ich mag die Härte von Necla Kelek nicht besonders. Seyran Ates Analysen atmen auch nicht gerade die Energie von Hoffnung und Zuversicht. Ayaan Hirsi Ali wird sogar attestiert, sie denke nur an sich. Mich erinnert sie an ein Model des Politischen in der Moderne, und fast naturgemäß hassen Linke gute Auftritte, die nicht die eigenen Ansichten akklamieren.
Davon abgesehen, dass alle drei Frauen etwas wagten, was der Diskurs von der Wertschätzung aller Kulturen nicht vorsieht - einen Blick hinter die fein kolorierten Fassaden -, könnte doch am ehesten dies ins Auge fallen: Alle drei entstammen politisch der alternativen, besser: der sozialdemokratischen Ecke. Die Niederländerin wie die beiden Deutschen. In ihren Milieus verloren sie nicht nur an Kredit, als sie mitteilten, was sie für wert hielten, gesagt zu werden. Sie wollten, knapp gesagt, den Opferversteherdiskurs nicht mehr mitmachen, weil sie, so sagen sie, den für fruchtlos zu halten begannen. Sie sahen, dass, typisch sozialdemokratisch, Migrantenverbände als Wählerreservoirs eingeschätzt wurden und somit eine westlich-liberale Kritik an deren Vorstellungen von einem Leben in Mitteleuropa gedeckelt werden musste.
In meiner neuköllnischen Parallelgesellschaft werden diese drei gerade von jenen gehasst, denen ich auch nicht für einen Cent auch nur über den Weg trauen würde. Männer, die um ihre Einflüsse auf ihre Familien als Patriarchen bangen; Frauen, denen ein westlicher Weg der Selbstermündigung zu mühselig ist; männliche Jugendliche, die in vielen nichtmuslimischen Mädchen Schlampen sehen und sich selbst als Träger einer unhinterfragbaren Ehre, die nötigenfalls gewaltsam durchgesetzt werden muss.
Kelek wie Ates und Hirsi Ali performieren eine Werthaltung, die gern als westlich tituliert wird - und für mich universalistisch ist. Man darf - und ich finde mit Gründen - ihre Weise der Performance für hochmütig halten. Aber dass der Wert der Freiheit zur Individualität und zu Menschenrechten für relativ gehalten wird, dass man das Recht auf Religion für gleichwertig hält, ist ein Zeichen, dass Böses über Linke aussagt, nicht aber über diese drei. Deren Kritik ist ätzend und für die Kritisierten womöglich bodenlos. Mit Karl Marx gesprochen: na und?
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