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Kolumne Ostwärts immerFußball geht immer

Wladimir ist Fan von Dynamo Kiew und trinkfest. Dass er heute sogar friedlich neben einem Fan vom Sowjet-Erzrivalen Spartak Moskau sitzen kann, liegt an der EM.

E s ist ein anstrengender Urlaub für Wladimir. Er ist heiser, seit die Ukraine das erste Mal gespielt hat. Trink! Er lädt mich auf ein Bier ein. Es ist mein erstes an diesem Tag. Wladimir hat schon mehrere getrunken. Als er aufsteht, um am Nebentisch eine Zigarette zu schnorren, fällt er mit dem Nachbartisch zu Boden. Ich war’s, schreit er in Richtung Bedienung.

Die kassiert ein paar Hriwna für die zerbrochenen Biergläser und lacht – genauso wie die drei Russen am Nebentisch, die sich nun frische Biere bestellen müssen. Einer von ihnen hat ein Fußballtrikot an. FKSM. Wladimir witzelt mit ihm. Dann rückt er ganz nahe an mich heran. Weißt du, was ich zu ihm gesagt habe. Die Wahrheit habe ich ihm gesagt, meint Wladimir.

Dass er Fan von Dynamo Kiew ist, ist seine Wahrheit. Früher hätten wir uns geschlagen, flüstert er mir ins Ohr. FKSM, das steht für FC Spartak Moskau, das ist der Erzfeind der Dynamos aus Sowjetzeiten. Das war wie Krieg, sagt Wladimir. Und heute? Heute sitzen wir nebeneinander und lachen. Das ist die EM. Trink!

Trink!

Bild: taz
ANDREAS RÜTTENAUER

ist Sportredakteur der taz und während der EM in der Ukraine unterwegs.

Ich weiß nicht, ob ich diesen Urlaub überlebe, sagt Wladimir und zeigt auf sein aufgeschürftes Knie. Motorradunfall. Scheiße. Er kennt ein paar deutsche Wörter. Guten Tag, eins, zwei, drei. Noch eineinhalb Wochen sind es bis zum Finale in Kiew. Dafür habe er auch Karten, sagt Wladimir.

Wie er sich das leisten kann, verrät er nicht. Er sagt irgendetwas von Botenfahrten mit dem Motorrad und wichtigen Dingen, die er transportiert. Ob wohl irgendetwas davon stimmt, frage ich mich. Wladimir ist mir ein wenig unheimlich. Er schnorrt zwei weitere Zigaretten. Eine davon steckt er mir in den Mund. Rauch! Frag mich, ich weiß alles.

Dass Dortmund Meister ist, normalerweise aber Bayern München, und dass Schalke in russischer Hand ist, klar. Wo bist du geboren? München? 1860 München, zweite Liga, auch das weiß er. Große Geschichte, keine Gegenwart. Trink! Sag mir, was du über uns weißt außer Dynamo, Schachtjor und Metalist. Was kennst du? Lemberg, Poltawa, Arsenal Kiew. Nicht schlecht.

Trink!

Wann war Arsenal Meister? Ich passe. Wladimir lacht: Nie! Und 60, frage ich. Er weiß es: 1966. Respekt! Jetzt fordere ich ihn auf: Trink! Er würde sich jetzt gerne mit mir besaufen. Dazu habe ich keine Lust. Ich glaube, er mag mich genauso wenig wie ich ihn.

Trotzdem reden wir noch lange weiter. Wer ist noch in Liga eins? Odessa, Simferopol, Lugansk, Olexandrija und Dnjepropetrowsk. Fußball geht immer – auch mit einem wie ihm.

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Andreas Rüttenauer
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