Kolumne Ökosex: Gut Lack, Günther Oettinger
Warum Lissabon dufte ist und der engagierte Schwabe als Energiekommissar Hervorragendes leisten wird.
Lissabon. Endlich Lissabon. Der neue Vertrag der EU gilt seit Dienstag. Ich bin die letzten Tage nur am Feiern. Bei mir und den anderen Eurokraten knallten natürlich die Korken, gab es in Maastricht am frühen Morgen bereits Champagner mit großen Eimern Kaviar. Natürlich auf Kosten des deutschen Steuerzahlers und des irischen Volkes. Nein, das war ein kleiner Spaß. Wir haben in Maastricht nicht wirklich gefeiert, und ich bin ja auch gar kein echter Eurokrat. Auch ohne Kaviar habe ich mich gefreut wie Bolle.
Ich bin ja nicht nur ein verrückter solarer Effizienzrevolutionär mit einem Hang zum Ökosex, sondern ich liebe auch die Europäische Union. I love EU! Und zwar nicht die abstrakte Idee eines freundschaftlich verbundenen Europas wie Sie. Nein, ich liebe genau diese EU, die wir haben, mit ihren lustigen Institutionen, Unzulänglichkeiten und Widersprüchen. Die beste EU, die wir je hatten, pflege ich zu sagen. Oder: Die EU ist ein wahrer Ausdruck der Zärtlichkeit der Völker, also ganz im Geiste Ches. Mit solchen Sprüchen will ich besonders meinen Freund Dommi ärgern, der davon ausgeht, dass diese EU neoliberal, militaristisch, zutiefst undemokratisch und von den Großkonzernen gesteuert wird. Wie unterschiedlich gute Freunde die Welt doch sehen können, auch wenn wir in Sachen Fotovoltaik völlig übereinstimmen.
Martin Unfried, Jahrgang 1966, arbeitet als Experte für europäische Umweltpolitik in Maastricht. Er liebt die solare Effizienzrevolution, kauft sich hemmungslos Klimaschutzprodukte und will damit bis 2012 raus sein aus der fossilen Welt. Er singt auch bei Ökosex, der ersten Kolumnenband der Welt.
Spaß beiseite. Ich habe am Dienstag zu Hause meine blaue Fahne im Wohnzimmer gehisst, und mit den Kindern "Freude schöner Götterfunken" gesungen. In meiner Rede erwähnte ich, dass ja Lissabon auch insbesondere die Energieversorgungssicherheit, die Interkonnektion der nationalen Energienetze, die Förderung der erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und Klimaschutz zu Zielen der EU erklärt. Das steckt also jede Menge solare Effizienzrevolution drin. Im weiteren erklärte ich ausführlich, dass die Neuerung im Umweltkapitel, insbesondere Artikel 191 und 194 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), durchaus eine substanzielle kompetenzrechtliche Neuausstattung bedeute.
Da guckten die Kinder überrascht, denn das hatten die noch gar nicht gewusst. Hier wurde es besonders interessant, weil Oma und Opa ins Spiel kamen. Denn deren schwäbischer Ministerpräsident, Günther Oettinger, wird ja als Kommissar wohl im nächsten Jahr einen Aktionsplan vorlegen mit tollen Ideen für neue Gesetzgebung im Geiste der solaren Effizienzrevolution. Dabei wird ihm die neue dänische Kommissarin für Klimaschutz, Connie Hedegaard, sicher gerne helfen. Wenn Dänen und Schwaben Englisch sprechen hört sich das ähnlich süß an, habe ich festgestellt. Die werden sich bombig verstehen. Und jetzt kommt es noch besser. Das Europäische Parlament hat bei der Energiepolitik jetzt mehr zu sagen. Mitentscheidung! Und wer sitzt im Energieausschuss? Reinhard Bütikofer, der sich mit Herrn Oettinger sprachlich auch super versteht. Das wird ein Dreamteam.
Warum? Weil Günther Oettinger heute wie kein anderer die Chancen von Effizienz und erneuerbaren Energien sieht, weil er die problematischen Eigeninteressen der Kohle- und Atomkonzerne wie kein anderer kennt und weil er aus der suboptimalen baden-württembergischen Industriepolitik im Bereich der Windenergie gelernt hat. Ich möchte ihn hier auch fragen, ob er Mitglied in meinem "Klimaclub Deutschland" werden und privat bis 2011 seine CO2-Emissionen um 50 Prozent senken möchte. Das wäre ein Signal an Klimaschutz Deutschland. Der Zug von Stuttgart nach Brüssel braucht übrigens nur 4 Stunden 44. Gut Lack im neuen Amt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsdrift der Union
Merz auf dem Sprung über die Brandmauer
Trumps Forderungen und die Bundeswehr
Aus lauter Angst
Probleme der „Tagesschau“
Flaggschiff in Schieflage
Traumareferent*in zu Aschaffenburg
„Viele Menschen werden erst in Deutschland richtig krank“
Neue Prognose für Bundestagswahl
Untenrum offen
Grünes Desaster
Der Fall Gelbhaar und die Partei