Kolumne Nebensachen aus Bagdad: Haben Sie Parfüm dabei?
Die elektronischen Spürnasen an den Kontrollpunkten in Bagdad reagieren auch auf Parfüm oder Seife. Aufgrund der Treffsicherheit werden sie auch als Wünschelrute bezeichnet.
A n Silvester war es wieder einmal so weit. Wir wollten nur kurz bei Bekannten vorbeischauen. Doch dann schlug an einem Checkpoint der elektronische Spürhund an. Das ist ein Gerät, das aussieht wie eine Kreuzung aus Pistole und Transistorradio. Es besteht aus einer flachen schwarzen Plastikbox mit einem Griff und einer kurzen Antenne. Es ist die Wunderwaffe der irakischen Polizei und Armee, die an fast allen Checkpoints in Bagdad eingesetzt wird.
Hat jemand in seinem Wagen Waffen oder Sprengstoff versteckt, schlägt die Antenne aus. So weit die Theorie. "Haben Sie eine Waffe?", fragt der Polizist unseren Fahrer. Nein, haben wir nicht. "Madame, tragen Sie Parfüm bei sich?" Weil wir nicht noch Salz in die Wunde streuen wollen, antworten wir mit ernster Miene: "Nein". Das Gerät hat nämlich ein entschiedenes Manko. Es reagiert offenbar nicht nur auf Sprengstoff, sondern auch auf alle möglichen chemischen Substanzen wie Seife, Shampoo oder eben Parfüm.
Der Chef der Antisprengstoffeinheit von Bagdad schwört jedoch darauf - und natürlich auch die britische Firma, die der irakischen Regierung das ADE651 für einen Stückpreis von rund 60.000 Dollar verkauft hat. Es läge nur an der falschen Handhabung, wenn das Gerät auf Gerüche reagiere.
Doch wenn das Gerät so effektiv ist, warum setzen es dann die Amerikaner nicht in ihrem Hightech-Arsenal ein? Eine Art Wünschelrute nennen es US-Offiziere. Glaube kann bekanntlich manchmal Berge versetzen. Darauf verlassen wollen sich aber auch irakische Politiker nicht.
Wer zum Sitz der Regierung in der Green Zone will, muss sich auf weniger als einen halben Kilometer bis zu 16 Kontrollen unterziehen. Dabei kehren neugierige Beamtinnen auch noch das intimste Detail einer Damenhandtasche nach außen. Kein Geheimnis bleibt auch den Kontrolleurinnen bei der Leibesvisitation verborgen. Danach stellt man sich gern in den "Nacktscanner". Denn diesen interessieren nicht die weiblichen Intimzonen, sondern tatsächlich nur Sprengstoff und Waffen - das sehen selbst fromme Politikerinnen so. Kürzlich war es eine aus diesem Kreis, die selbst für Spürhunde ein gutes Wort einlegte. Wutentbrannt forderte sie ihren Einsatz, nachdem auf der Damentoilette im Parlament ein Sprengsatz entdeckt wurde. Ihr Argument war so einfach wie einleuchtend: Die Hundenase ist nicht bestechlich - und sie lässt sich nur selten täuschen. So lernfähig ist der elektronische Spürhund nicht.
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