Kolumne Lustobjekte: Ich bin nicht krank – ich war im Urlaub
Ferien können auch dann erfolgreich sein, wenn man nicht Dieter-Bohlen-farbig zurückkommt. Weiß ist nämlich das neue Braun. Und ich bin total angesagt, ohne etwas dafür zu tun.
L iebe Leserinnen und Leser, wie war eigentlich Ihr Sommerurlaub? Mal schauen, ob Sie mithalten können: zwei Wochen Kroatien, Meerblick, Haushund und Nachbarkatze zum Liebhaben inklusive, außerdem Feigen- und Granatapfelbäume, die sich sanft im Wind wiegen. Ein Traum.
Aber der Urlaub ist vorbei. Spätestens seit ich im Treppenhaus eine Kollegin traf. "Lange nicht gesehen", sagte sie. "Warst du krank?" - "Nein, im Urlaub." Die Kollegin musterte mich. "Braun bist du aber nicht geworden."
Ich verstehe nicht, was dieser Wettbewerb um die dunkelste Hautfarbe soll. Warum wird das Gelingen eines Urlaubs stets proportional an der Tiefe der Bräune bemessen? Ferien sind schließlich nicht nur dann erfolgreich, wenn ich Dieter-Bohlen-farbig nach Hause komme.
Im Urlaub möchte ich Kultur erleben. Land und Leute sehen. Eine neue Sprache lernen. In Kroatien habe ich die kleinste Stadt der Welt, Hum, besichtigt, teuren Weißwein in Rovinj gekauft und Kleider in Pula. Ich habe die Bucht von Rabac gemalt, drei kroatische Wörter gelernt und sieben ziemlich gute Bücher gelesen. Da blieb nicht viel Zeit, um müßig am Strand zu lümmeln und sich die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich lasse im Urlaub nicht die Seele baumeln, sondern bringe meinen Geist auf Trab. Und hinter einem hellen Teint steckt eben auch immer ein kluger Kopf.
Stark gebräunte Haut ist out, nur kam das offensichtlich noch nicht bei jedem an. Wie sonst hätte ich vor Kurzem in einem Kosmetikblog folgenden Satz lesen dürfen: "Ein regelmäßiger Besuch im Sonnenstudio lässt einen älter aussehen, was vor allem für Teenager ein Vorteil sein kann." Abgesehen davon, dass für Jugendliche unter 18 der Besuch eines Solariums seit geraumer Zeit verboten ist, stimmt dieses These natürlich. Falten machen alt. Und auf dem Assi-Toaster gehts noch schneller.
Auch ich war - ich gebs ja zu - dem Bräunungswahn mal verfallen, wollte in der Pubertät sein wie alle anderen auch: karamellfarben. Also ging ich exzessiv ins Solarium, legte mich in Olivenöl getunkt in die pralle Mittagssonne, benutzte Flecken machenden Selbstbräuner.
Franziska Seyboldt ist Redakteurin bei taz-Online.
Heute ist mir klar: Weiß ist das neue Braun. Mittelalterliche Porzellanteints sind im Kommen, schon seit Jahren. Dank der Vampirgeschichten wie "Twilight" setzen ja sogar die Stars wieder auf Alabasterhaut. Kirsten Stewart, Robert Pattinson und so. Die Asiaten gehen noch weiter und schrecken selbst vor giftigen Bleichcremes nicht zurück. Gut, dass ich das nicht nötig habe. Ich bin einfach total angesagt, ohne irgendwas dafür zu tun.
Ach ja, Sonnenschein war übrigens äußerst rar in Kroatien, meistens hat es geregnet. Das hat mit dieser Kolumne aber rein gar nichts zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen