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Kolumne LaufenWas dem Comeback im Wege steht

Kommentar von Dieter Baumann

Ich reiste mit Experten in die Schweizer Berge. Sie sollten mich vollumsorglich begleiten. Es schneite

E ndlich eine gute Nachricht von der Leichtathletik. Darauf habe ich schon seit Jahren gewartet. Eine europäische Allianz der Verbände hat bei der letzten Sitzung einen Antrag durchgepeitscht, nach dem sich Altersklassenläufer (M40/W40) für die WM 2009 in Berlin mit einer altersgerechten Norm qualifizieren können. Dem Comeback steht nichts mehr im Wege. Und so begann mein Projekt "Berlin 2009".

Bild: taz

Dieter Baumann (42) ist mehrfacher Olympiasieger in verschiedenen Laufdisziplinen, arbeitet als Motivationstrainer und Autor. Er träumt davon, ein "Lebensläufer" zu sein, für den der Weg immer wichtiger bleibt als das Ziel.

Ich reiste mit Experten in die Schweizer Berge. Sie sollten mich vollumsorglich begleiten. Doch wollte ich auf dem Weg zum Comeback auf alte Traditionen nicht ganz verzichten und ging erst einmal laufen. 10 Kilometer (irgendwie müde gefühlt).

Nach dem Training wartete der erste Vortrag: Die Ernährung. Nicht dass es in meiner Zeit so etwas nicht gab, klar haben wir gegessen. Bei den vielen Kilometern und zügigen Tempoeinheiten bekamen wir schon so etwas wie Hunger. Mancher Herbergsvater wunderte sich, dass so dünne Heringe wie wir so viel essen konnten. Am vergangenen Wochenende in den Schweizer Bergen ließ ich mir endlich erklären, zu welcher Zeit welches Vitamin in optimaler Menge bei welcher Laufgeschwindigkeit in Abhängigkeit von der Tagestemperatur der Muskelzelle zur Verfügung steht. Interessant, echt. Nicht möglich, was früher möglich gewesen wäre, hätte ich es gewusst. Auf mein Bier am späten Abend sollte ich laut Experte verzichten. Nach 23 Uhr dauert der Abbau von Alkohol nämlich viel länger. Ergo: schlechtere Regeneration. Auch gut, dachte ich nach dem Vortrag, dann trinke ich mein Bier eben schon am Nachmittag.

Apropos Nachmittag. Natürlich versuchte ich mich, wie damals, in der Kunst des Mittagsschlafes. Wenigstens das funktionierte fast schon wie in alten Tagen. Nach einem tiefen, traumlosen Schlaf ging ich zur ersten Session des Medienberaters. Er übte mit eine Art Rollenspiel: Was sagen Sie, wenn? Wenn beispielsweise ein Wettkampf nicht klappt. Grundsatz Nr. 1: den Gastgeber und die Menschen loben, z. B. "tolle Organisation" und "tolle Stimmung im Stadion". Grundsatz Nr. 2: Egal was kommt: Zufriedenheit ausstrahlen. Beispiel: "Ja, leider habe ich den Endlauf verpasst, aber ich bin alles in allem zufrieden." Gerade mit dieser Redewendung hatte ich meine Probleme und musste lange üben. Deshalb strich ich meinen zweiten Dauerlauf. Schließlich muss man Prioritäten setzen.

Der Samstag begann mit einem langen Exkurs des Marketingmannes des Verbandes. Wann und für welche Medienmenschen man jederzeit zur Verfügung zu stehen hat. Beim obligaten Abfragen zum Schluss der Stunde wusste ich nichts mehr und musste den Vortrag mit den wichtigsten Verhaltensregeln nochmals schriftlich nacharbeiten. Das dauerte, und so musste ich den geplanten Dauerlauf abkürzen. Nur 30 Minuten waren möglich, außerdem schneite es. Wieder ein Mittagsschlaf. Sagenhaft, viel besser als noch vor Jahren. Dann kam die Session mit dem Sportpsychologen, ohne den sich kein Athlet mehr in ein Stadion traut. Ich erzählte ihm von meinen Träumen: Ich lief fortwährend im Wald, mein Haar war grau, und Waldarbeiter versuchten mich festzuhalten, damit ich ihnen helfen sollte beim Holzmachen. Das ewige Rumgerenne bringt doch nichts, riefen sie mir zu. Ich lief davon, immer schneller, doch der Wald war voller Waldarbeiter, die versuchten, mir eine Säge in die Hand zu drücken. Er machte sich eifrig Notizen und wollte das Thema später im großen Kreis besprechen.

Dann kam die Massage. Heutzutage findet das mindestens zweimal pro Tag statt, diese Zeit muss sein. Alles in allem war ich tipptopp betreut dort oben in den verschneiten Bergen. Dem Comeback stand im Grunde nichts mehr im Wege, da kam ein Anruf meines damaligen Bundestrainers. Voller Freude erzählte ich ihm von meinem Vorhaben und vom Wochenende. Da sagte er nur: "Ja Dieter, heute St. Moritz, morgen Flagstaff. Leistungsport ist wunderschön, wenn nur das Training und die Wettkämpfe nicht wären."

Training? Davon war nie die Rede. Wettkämpfe? Dann lieber nicht.

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