Kolumne Kriegsreporterin: Kaffee, Bananen und Anstand
Gruner + Jahr braucht eine Portion Verstand, die "Süddeutsche" eine Identität. Und die Kriegsreporterin fühlt sich als kleines Würmchen im Heiligenschein Gottes.
H allo, taz-Medienredaktion! Ich melde mich heute aus dem Heiligenschein Gottes heraus. Über den Erzbischof Zollitsch ließ der Allmächtige zu mir sprechen: "Medienmacher!", sagte er, "ihr sollt nicht immer schwarz-weiß malen!" Natürlich freut es mich, wenn ich merke, dass auch ich kleines Würmchen nicht aus seiner Wahrnehmung herausfalle, dass er, einer Kuh gleich, alle immer im Blick hat. Aber so richtig angesprochen fühle ich mich nicht. Meine Arbeit ist ja nun alles andere als schwarz-weiß. Ein "Burmester! Treib es nicht zu bunt!" wäre sicherlich passender.
So will ich meine innere Stimme als seine werten und mich selbst maßregeln und auch mal Güte walten lassen. Mit dem ZDF zum Beispiel. Jenem einparteienstaatgleichen Gebilde, das am 17. Juni seinen großen Vorsitzenden wählt. Ging man von einem Durchmarsch des zunächst einzigen Kandidaten Thomas Bellut aus, warf sich zuletzt der Feuilletonchef der FAS ins Rennen um den Intendantenposten. Sein Einmischen wird den Durchlauf des Mannes, der einst sagte: "Ich verzweifle jeden Tag an gewissen Zonen in unserem Programm", kaum verhindern.
An irgendetwas zu verzweifeln haben wir Freie ja schon lang aufgegeben und so konnten wir ob der Bitte des Gruner+Jahr-Reiseblatts Geo Saison, "nicht böse" zu sein, nur herzhaft lachen. Ein "Best of-Album" sei geplant, für den Abdruck der Texte allerdings "gibt es kein Honorar". Wer wird denn da böse sein, wenn die Texte abdrucken, um sie zu verkaufen, und den Erzeugern nichts dafür geben! Also ich bin da nicht böse. Ich geb noch gern nen Kaffee dazu. Und nen Aal. Und ne Kiste Bananen. Und was die noch so brauchen. Eine Portion Anstand zum Beispiel. Oder Verstand.
Was die Süddeutsche auf jeden Fall braucht, ist eine Identität. Die der Dame von S. 3 vom 9. Juni. Das zweite Foto zur Berichterstattung über Merkels Empfang in Obamas Rosengarten zeigt nämlich fünf Personen, die Bildunterschrift weist die vier Herren aus, die mittig stehende Dame bleibt unerwähnt. Natürlich begann die Chauvialarmglocke unter meinem Helm sofort hell zu leuchten und so rief ich in München an, zwecks Vorführung männlicher Überheblichkeit, der Sache auf den Grund zu gehen. Um es kurz zu machen: Keiner weiß, wer die Dame ist. Weder in der Foto- noch in der Seite-3-Redaktion, nicht einmal der Fotograf konnte mir helfen. Die nette Dame aus dem Seite-3- Ressort meinte zum Schluss, es könne sich um ein Adabei handeln, zu Deutsch: ein Auchdabei. Personen, die sich ins Bild stellen, meist um zu winken. Ähnlich Woody Allens "Zelig". Aber - ein Zelig bei Merkels Krönungszeremonie? Es mag ja vorkommen, dass bei den Pressekonferenzen eine Maus Obama vor die Füße läuft, aber ein Adabei bei der höchsten aller Auszeichnungssausen, wo die Amis doch die Welt durch ihre Angst vor Zahnpasta und Shampoofläschchen regieren?
SILKE BURMESTER berichtet wöchentlich von der Medienfront. Feldpost? Mail an kriegsreporterin@taz.de.
Mir jedenfalls ist die Dame ans Herz gewachsen und ich möchte ihr gern zu einer Identität verhelfen. Im Zeitalter von Facebook heißt das: Unter www.facebook.com/Kriegsreporterin kann das Foto eingesehen und Erkenntnisse zur Identität hinterlassen werden.
Der Süddeutschen, die an diesem Debakel tatsächlich unschuldig ist, eine Bildunterschrift allerdings in solchen Fällen geschickter formulieren sollte, mag auf diesem Wege auch geholfen werden: Der Verlag, der nicht so fette Gewinne einfährt wie der Umsonstladen Gruner+Jahr, erweitert zum Herbst seine Spiele-Edition. Ein lustiges Ratespiel wie "Wer kennt die Person?" könnte eine lukrative Idee sein. Wieder mal voll bunt zurück nach Berlin!
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