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Kolumne KonversationVon Krokodilen und Pfauenaugen

Kolumne
von Natalie Tenberg

Bei Spielzeugeisenbahnen werden selbst die normalsten Männer nostalgisch. Dagegen hilft ein Glas Bordeaux.

Schau mal", sagt Dirk und liest vor: "Das Modell des berühmten Schweizer Krokodil mit Verschleißpufferbohle in der ursprünglichen grünen Lackierung." Und fügt hinzu: "Kostet bei Roco, steht hier im Katalog, 218 Euro."

Bild: taz

Natalie Tenberg ist Redakteurin bei tazzwei.

"Und bei mir", antwortet Dirks Freund Bernd: "steht: Als "Krokodile" werden die schweizerischen Gebirgslokomotiven bezeichnet, die schwere Güterzüge über die Gotthard-Rampe zogen … Ein Mythos, der sich fortan durch die Geschichte von Märklin zog."

"Ist schon traurig, diese Pleite." - "Ja, wirklich traurig."

Eigentlich sind die beiden ziemlich normal. Interessieren sich für Musik, aber nicht zu sehr. Haben keine Hobbys, dafür kleine Kinder. Sie gehen gerne essen, sind aber meistens zu müde, um danach noch in der Kneipe zu landen.

Heute sitzen sie beide mit langen Gesichtern in unserem Wohnzimmer. Auf ihrem Schoß: jeweils ein Katalog mit klitzekleinen Zügen. "Wir wollten mal schauen, ob es schon Eisenbahnen für unsere Söhne gibt. Die sind aber zu jung, wurde uns gesagt", erklärt Dirk. "In dem Alter, um die zwei, geht nur Brio."

"Und das ist langweilig", sagt Bernd. "Aber so ein Krokodil wollte ich früher immer haben."

"Ach, wirklich?", frage ich. Wenn man in den Siebzigern und Achtzigern unter Mädchen aufgewachsen ist, hat man von dieser Welt ja gar keine Ahnung. Die beiden bedröppelten Mienen unserer Freunde aber, die nach ihrem kleinen Ausflug in die Stadt bei uns vorbeikamen, machten mir deutlich, dass Märklin mehr war als eine Zeitungsmeldung.

"150 Jahre", lese ich aus dem Katalog vor, "sind ein Grund zum Feiern. Und diese Feier soll ein ganzes Jahr lang dauern." Das wird sie sicher nicht. "Noch Wein?", frage ich. "Ja", sagt Bernd.

"Bitte", fügt Dirk hinzu.

"Bordeaux. Ungewöhnlich. Für einen Bordeaux", findet Dirk nach einem kleinen Schluck.

"Stimmt", sagt Bernd. "Wo kauft ihr euren Wein überhaupt?", möchte er wissen.

"Ich kaufe den Wein ja meistens dort bei diesem Weinladen auf dem Weg zum Spielplatz", erklärt Dirk.

"Ach, dort? Da finde ich ja nie etwas", meint Bernd. "Die sind auch ein klein bisschen arrogant. Ich gehe ja lieber zu dem Laden dort an der Kirche."

"Ach, nein. Die Frau dort hat mir neulich unbedingt etwas aufschwatzen wollen."

"Ja, dazu neigen sie doch im Weinladen immer, oder?"

"Nein, nicht in dem am Spielplatz."

"Die am Spielplatz ist die Allerschlimmste! Letztlich hat dieser Weinhändler versucht, mir einen spanischen Wein schmackhaft zu machen. Ich wollte aber keinen spanischen Wein. Und dann erzählte er irgendwas vom Geschmack des Atlantiks und dem Charakter des Mittelmeers."

"Einen Scheiß reden die."

"Vor allem, wenn es um Wein geht. Aber kennst du den Weinladen am Park? Gott, die sind unfreundlich."

"Schrecklich. Ein ekelhafter Laden. Schau mal hier: Achtachsiger Straßenbahngelenktriebzug nach dem Vorbild der Kölner Verkehrs-Betriebe mit authentischer Werbung", liest Bernd vor.

"Welche Werbung?"

"Kupferberg Gold - Die gute Laune selbst. Nix mit Pyrenäen."

"Märklin haben einen Kühlwagen mit Bionade-Werbung."

"Und Schiesser-Werbung? Gibt es die auch?"

Dirk blättert. Doch bevor er etwas finden kann, ist Bernd wieder mit Roco dabei.

"Guck mal! Silberlinge. Ihr typisches Erscheinungsbild mit dem in die Metalloberfläche hineingebürsteten Pfauenauge verleiht ihnen ihren Namen."

"Ist Roco auch pleite?"

"Nein, das waren sie aber schon. Hässliche Geschichte."

Und wieder schauen Bernd und Dirk traurig. "Wein?", frage ich.

"Ja gerne", sagt Bernd.

"Bordeaux?", fragt Dirk.

"Nein, der ist leer", muss ich zugeben. "Der aus den Pyrenäen. Vom Laden am Spielplatz."

"Ach, der ist doch okay", meint Bernd.

"Ja", sagt Dirk. "Ich habe auch ein paar Flaschen davon gekauft. Waren im Angebot. Aber wieder zurück zu den Zügen. Die "Taigatrommel …"

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