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Kolumne KonversationSollen wir Freundinnen werden?

Kolumne
von Natalie Tenberg

Die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin ist unzuverlässig. Sie meldet sich nicht bei mir.

D as könnte meine neue beste Freundin sein, dachte ich. Auf dem Grünstreifen an der Hauptverkehrsstraße stand vorher nichts, nun aber plötzlich überlebensgroß: ein Plakat von Silvana Koch-Mehrin, Europapolitikerin der FDP. Sie wirbt um Stimmen für die Europawahl, lächelt mich mit ihrem Claudia-Kleinert-Gesicht an. Ich fühlte mich an einen Freundschaftsvorschlag auf Facebook erinnert.

Bild: taz

Natalie Tenberg ist Redakteurin bei tazzwei.

Jedes Mal, wenn ich mich bei Facebook einloggte, sah ich ein hübsches Bild von Silvana im Blumenkleid vor dem Sternenkreis Europas. Jemand wollte, dass wir einander kennenlernten. Wochenlang zögerte ich, mich auf diese neue Freundschaft einzulassen. Schließlich geht man damit auch immer eine Verpflichtung ein. So häufig wie Silvana nach Berlin kommt, hatte ich Sorgen, sie könnte in Zukunft dauernd bei mir aufschlagen und auf dem Sofa übernachten wollen. Als ich dann aber immer wieder an Silvana und ihrem Lächeln vorbeiradelte, tat die Werbung langsam ihre Wirkung. Ihre Freundschaft, beschloss ich, würde ich annehmen.

Politisch stehen wir einander nicht nah, aber vielleicht hätten wir andere Gemeinsamkeiten, die uns einen würden - etwa das Lachen über die gleichen doofen Witze. Und bestimmt würden Silvana und ich uns niemals die Verehrer streitig machen, sie ist so groß und blond, ich klein und dunkel. Ich könnte ihr meinen Modeschmuck leihen und sie mir eine ihrer Perlenketten. Also setzte ich mich an den Computer und schrieb:

Liebe Silvana, sollen wir Freundinnen werden? Ich interessiere mich sehr für Brüssel, wo du ja wohnst, und könnte dir sicher auch ein oder zwei interessante Dinge über Berlin erzählen. Wir würden uns sicher prima verstehen! Liebe Grüße, Natalie

Unsere Freundschaft begann aussichtsreich. Nach nur ein paar Minuten bestätigte Silvana meinen Kontakt. Und ich wartete auf eine Antwort. Den ganzen lieben Nachmittag lang. Aber sie kam nicht. Gut, Silvana hatte zu dem Zeitpunkt schon 1.236 andere Freunde, darunter sogar welche von anderen Parteien, wie Philipp Mißfelder von der Jungen Union. Mit Guido Westerwelle aber ist sie nicht befreundet. Ich fühlte mich also stark privilegiert und verstand, dass sie nicht jedem sofort zurückschreiben konnte. Silvana sollte also noch Zeit von mir bekommen. Inzwischen malte ich mir all die schönen Dinge aus, die wir gemeinsam machen könnten. Sie war zwischenzeitlich in Köln, startete den Tag in Straßburg früh und fand auf Facebook noch ein paar neue Freunde, die sie hoffentlich besser behandelt als mich. Langsam wurde ich mit der Art, in der Silvana unsere Freundschaft pflegt, arg unglücklich. Statt einer Antwort bekam ich eine Nachricht für die Europawahl. Ein schlechtes Zeichen, fand ich. Mich beschlich der Verdacht, dass es Silvana gar nicht um uns ging, sondern nur um meine Stimme.

Vorgestern las ich auf meiner Facebook-Startseite, dass Silvana abends in Berlin sein würde. Vorsichtshalber bezog ich eine Bettdecke, legte zwei Handtücher raus und holte den Ersatzschlüssel von den Nachbarn. Ich wartete. Vergeblich. Wahrscheinlich wird es doch nichts mit Silvana und mir und unserer wunderbaren Frauenfreundschaft. Werbung, so musste ich lernen, hält eben nicht immer, was sie verspricht.

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