Kolumne Konversation: Die weiße Produktenttäuschung
Alle haben mir geraten einen Mac zu kaufen, weil er so einfach zu bedienen ist. Doch selbst der Installateur von der Telekom musste sein Scheitern eingestehen.
W ürden Sie diese Kolumne Ihrer besten Freundin empfehlen? Ja? Nein? Sie wollen sich erst nach dem Lesen entscheiden? Auch gut. Es soll mir nur recht sein, wenn Menschen lange überlegen, bevor sie einen Rat abgeben. Ich selbst bin nämlich Opfer einer Kette falscher Kaufempfehlungen geworden, bin ganz blauäugig auf einen urbanen Mythos hereingefallen, auf eine dieser Geschichten, die von Freund zu Freund wandern und vor allem in der mündlichen Überlieferung bestehen.
Dieser Erzählung nach nämlich teilten sich die Wolken (nur Wasser, keine Asche) am Himmel, und wahrscheinlich der liebe Gott persönlich rief den Menschen zu: "Kauft nur noch Computer, die einfach zu bedienen sind, damit erspart ihr euch eine Menge Scherereien. Am besten, ihr nehmt einen Mac, damit macht man nie etwas falsch. Bedenkt, ihr Erdlinge, Apple ist das neue Miele!"
So oder so ähnlich muss es gewesen sein, und weil ein Rest an Gottesfurcht in uns verbleibt und uns ein Leben lang eingetrichtert wurde, dass nichts besser sei als Miele, kaufen die Menschen wie irre waschmaschinenweiße Computer. Seitdem es Geschirrspüler auch mit Edelstahlfront gibt, eben auch silberne Powerbooks.
Natalie Tenberg ist Redakteurin im Ressort tazzwei.
Abonnieren Sie die Digitaz und lesen Sie abends schon die komplette taz von morgen. Direkt auf Ihrem Computer. Einen Monat lang. Für nur 10 Euro.
Weil die deutlich teurer sind als alles Vergleichbare, rotten sich Käufer zusammen und berichten allen anderen, die ja noch recht ahnungslos durchs Leben gehen, wie viel besser ihre Computer sind. In Gesprächen am Küchentisch oder an der Manufactum-Kasse, am Telefon oder im Biosupermarkt rasseln alle immer wieder ihr Mantra herunter, so lange, bis sie es tatsächlich selber glauben.
Alle, die einen anderen Rechner kaufen, gelten fortan als geizige Dumpfbacken, die den Wert der Dinge nicht zu erkennen gelernt haben und sich von den billigen Versprechen der Industrie blenden lassen. Denn wenn sich im Badezimmerschrank die angebrochenen Flaschen und Tiegel wohlriechender Anti-Cellulite-Produkte stapeln, über dem Waschbecken die Cremetuben mit Hyaluronsäure stehen, gilt man ja schnell als leichtgläubiger Trottel. Doch damit bliebe ich faltenfrei, bis mein neu angeschaffter Mac auf dem Sondermüll gelandet wäre.
Denn ja, auch ich wollte einen Mac. Und weil von allen Seiten immer fleißig dazu geraten wurde, erwarb ich solch ein Gerät. Doch statt des versprochenen "Das geht alles ohne Installieren, man muss ihn nur anmachen" hatte ich plötzlich mit lauter technischen Problemen zu kämpfen.
Mein W-LAN funktionierte nicht mehr, mein Wortverarbeitungsprogramm sah plötzlich ganz, ganz anders aus, und um den Drucker zu benutzen, musste ich die halbe Wohnung auf den Kopf stellen auf der Suche nach der Treiber-CD. So abgeschnitten von der Welt war ich gestrandet wie ein Transitpassagier am Frankfurter Flughafen. Selbst der Telekom-Installateur, der gekommen war, um mich mit einem Netzwerk zu verbinden, scheiterte und musste einen "Profi" kommen lassen, der sich mich Macs auskennt.
Vielleicht haben meine persönlichen Computerprobleme für Ihr Leben wenig Belang, ich wollte aber nur mal gesagt haben, dass nicht alles immer stimmt, was Sie als tollen Tipp gesagt bekommen. Ein Gutes hat der Mac für mich: Ich finde Freecell nicht und verplempere weniger Zeit mit Bube, Dame, König und Ass. Sie wissen noch immer nicht, ob Sie diese Kolumne weiterempfehlen sollen?
Während Sie noch überlegen, gehe ich schon mal ins Schuhgeschäft. Wollte mich doch nach diesen Reebok-Turnschuhen erkundigen, die den Arsch so schön formen sollen.
***
Dieser Text ist für Sie kostenlos verfügbar. Dennoch wurde er nicht ohne Kosten hergestellt! Wenn Ihnen der Text gefallen hat, würden wir uns freuen, wenn Sie der taz dafür einen kleinen Betrag bezahlen. Das können wenige Cent sein - wir überlassen es Ihnen.
Für unabhängigen Journalismus: taz-Konto 39316106 | BLZ: 10010010 | Postbank Berlin - Verwendungszweck "taz.de".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien