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Kolumne KatastrophenWestern-Heldin ohne Bauchhaare

Kann mir jemand den Neuen Feminismus erklären? Also, das Neue daran? Ich blicke da nicht mehr ganz durch.

Bild: sandra böhme

Kirsten Reinhardt (30) arbeitet in der Online-Redaktion der taz.

Keine Ahnung, was das ganze Gerede vom Neuen Feminismus soll. Da bin ich verloren. Was ich verstehe, ist: Menschen lieben Kategorien. Insbesondere Journalisten schätzen kleine Schubfächer, weil sich mit ihrer Hilfe mehrere Geschichten in einer erzählen lassen. Gibt es drei Romane über die Jugend auf dem Land, ist der Provinz-Roman im Kommen. Jetzt ist der Neue Feminismus da. Weil ein paar Frauen ein paar Bücher geschrieben haben, in denen es um Frauen geht. Und um Spermapizza. Hm.

Ich hab mir eins dieser Bücher gekauft. Es handelt vom Popfeminismus, und ein paar Frauen erzählen von ihren Abtreibungen und warum es doof ist, dass Verhütung durch die Selbstverständlichkeit der Pille an der Frau kleben bleibt; es geht um den schrecklichen Schönheitswahn und eine schreibt, wie es sich so lebt als allein erziehende Mutter und Mitglied einer Frauenband. Alles klar so weit. Das hätte mir jede Freundin auch erzählen können. Nur, dass sich keine von ihnen explizit als Feministin versteht. Das ist doch längst so was von angekommen.

Was hätte ich zu der Anthologie persönlicher Feminismus-Geschichten beigetragen, wenn mich die Herausgeberin gefragt hätte? Ich hätte ihr wahrscheinlich gesagt, Feminismus höre sich für mich irgendwie doof an. Das sei für mich alles toootal selbstverständlich. Ich fände Werbung mit halbnackten Frauen scheiße, aber genauso ungern sähe ich David Beckhams Bauchhaare an eine Hauswand tapeziert. Sie hätte vielleicht gesagt: Das sagen alle, aber denk mal nach, wie viel weniger Geld Frauen verdienen und wie das Zahlen-Verhältnis von Männern und Frauen im Popjournalismus ist. Recht hätte sie. Also hätte ich überlegt. Aber mir wäre nur eingefallen, wie es immer pedantisch "frau" statt "man" hieß, wenn "frau" über ihresgleichen schrieb. Still!, hätte die Popfeministin vielleicht gesagt, du klingst wie ein dicker alter Mann mit Fettglatze und Bauch.

Und dann wäre mir vielleicht eingefallen, wie ich mir als vorpubertäre Göre Jungsunterhosen gewünscht habe. Mit Eingriff. Weil ich das so interessant fand und nicht einsah, dass nur Jungs so etwas bekommen konnten. Meine Mutter zog eine Augenbraue hoch und kaufte mir einen Fünferpack mit Mickey-Mouse-Aufdruck. Oder, als ich so um die sechs war und eine männliche Puppe haben wollte. Ich marschierte im Kaufhaus zur Verkäuferin und verlangte: "Haben Sie eine Puppe mit Penis?" Die Verkäuferin sah meine Eltern an, verbarg ihr Entsetzen hinter einem Lächeln und geleitete mich zu den Jungspuppen, die pinkeln können. Ob man auch Cola in den Mund füllen könnte und dann trinken, wollte ich wissen. Sie atmete tief ein und sagte ja, theoretisch würde das gehen. Man könne jede Flüssigkeit einfüllen, aber sie würde doch Wasser empfehlen. Was hat das nun mit Feminismus zu tun?

Denken wir mal an Calamity Jane. Western-Heldin, Postkutschenfahrerin, Krankenschwester, Alkoholikerin. Sie trug meist Männerkleidung und zog damit den Zorn der "ehrbaren Frauen" des Örtchens Deadwood auf sich. In einem Lucky-Luke-Comic lässt Calamity Jane andauernd ihre Plätzchen anbrennen - in ihren Briefen an ihre Tochter finden sich aber Kuchenrezepte und Haushaltstipps. Sie verdiente sich gelegentlich ein hübsches Sümmchen beim Pokern und kam ganz gut klar, als Frau Mitte des 19. Jahrhunderts: "Manchmal überlege ich, ob ich mich nicht wieder verheiraten sollte, aber dann macht mich der Gedanke, an den Hemdzipfel eines Mannes angebunden zu sein, ganz krank. Ich arbeite für meinen Lebensunterhalt. Den einen Tag habe ich Huhn im Topf, den nächsten die Federn."

Diese Frau kann man als Vorläuferin des Feminismus sehen. Aber diese Zuschreibung kommt von außen. Ich packe sie gerade in eine Schublade. Darin wirds ihr sicher nicht gefallen. Aber: Wenn sie noch leben würde, bekäme sie ein paar Cent Tantiemen von den Buchverkäufen, die so eine Berichterstattung nach sich zieht. Vielleicht bestellen sie ein paar Leute für ihren Magister in Gender Studies. Schade, die Kohle hätte sie damals gut brauchen können.

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